Knastalltag trifft Klassiker   Zeig den FaustMephisto in teuflischer Mission. Foto: Vs

Strafgefangene der JVA Hohenleuben mit Super-Leistung im Reußischen Hof

HOHENLEUBEN. „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein“. Mit diesen Worten aus Goethes „Osterspaziergang“ endete am Freitagabend die Aufführung des Theaterstückes „Zeig den Faust“ im voll besetzten Reußischen Hof. Sicher keine gewöhnliche Vorstellung, da die Protagonisten an diesem Tag die Justizvollzugsanstalt Hohenleuben einmalig verlassen durften. Ich bin glücklich und stolz, wie Vollzugsbeamtin und Leiterin der Theatergruppe, Anke Hartmann, am Ende strahlend gestand. Minutenlanger Beifall krönte das einstündige Spiel, auch die Mimen zeigten sich zufrieden mit ihrer Leistung. Zu Recht, denn textsicher und souverän agierend hatten sie das Stück zur Aufführung gebracht.

Dem Erfolg allerdings vorausgegangen war eine intensive und harte Probenarbeit mit zum Teil wechselnden Darstellern. So sei beispielsweise die im Stück agierende Hexe kurzfristig zur Therapie entlassen worden, so dass man improvisieren musste. Was mit Toneinspielungen und schauspielerischer Leistung übrigens beeindruckend gelang. Das Stück, von Anke Hartmann verfasst, spielt in einer Gefängniszelle, als ein Stromausfall für Langeweile sorgt und man sich entschließt: Wir spielen Theater! Etwas ganz Großes sollte es sein, am besten Goethe. Man einigte sich schnell auf den Faust. Im Stück treffen nun Knastalltag und Klassiker aufeinander und die bittere Realität des Vollzugs mischt sich mit den ganz großen Szenen der Goetheschen Tragödie zu einer eigenen, sehr ergreifenden Interpretation. Trotz der tragischen Handlung kam auch der Humor nicht zu kurz, etwa, als Mephisto herrlich diabolisch und geheimnisvoll dargestellt – Faust in die Hexenküche führt, wo ihm der Zaubertrank verabreicht werden soll, der ihn verjüngt und jede Frau begehrenswert erscheinen lässt. Ich besteh“ auf meine Hexe, so Faust, dessen Worte von Xavier Naidoos Liedzeile Ist das möglich? musikalisch untermalt wurden.

Fesselnde Lichtspiele akzentuierten das spartanisch angelegte Bühnenbild, das nur aus einem Dutzend Styroporsteinen bestand; oft werden harte Metal-Klänge lautstark eingespielt. In mir ist regelrecht ein Feuer entbrannt, gestand Renè (30), der Darsteller des Dr. Faust, der seit 2008 in der JVA seine Haftstrafe verbüßt. Draußen habe er mit Theaterspielen nichts am Hut gehabt, doch würde er sich, wenn er 2012 entlassen wird, auf jeden Fall weiter damit befassen. Seit Anfang des Jahres lernte der junge Mann das immense Textpensum des Hauptdarstellers. Wie Renè beim Lernen feststellte, habe er eine sehr gute Auffassungsgabe, die ihm das Einprägen des klassischen Textes nicht zu schwer erschienen ließ.

Theater im Strafvollzug ist produktiv, weil es zeigt, dass Menschen die Fähigkeit besitzen, sich lang und intensiv mit einer Sache zu beschäftigen, und innovativ, weil es den Strafgefangenen den Weg zurück in die Gesellschaft aufzeigen kann, wie es der stellvertretende Anstaltsleiter, Oberregierungsrat Kreisel, formulierte. Nach der Aufführung wird nun der normale Knastalltag wieder Einzug halten, Renè wird in der Druckerei arbeiten und eine Nachfeier zur gelungenen Aufführung gibt es auch nicht. Oder doch? Wir werden zur nächsten Probe am Dienstag alles genau auswerten, wie Anke Hartmann lächelnd ankündigte.

Antje-Gesine Marsch @23.04.2010