Stahlbier in Nitschareuth - eine 200-jährige TraditionSchmied Uwe Fleischmann hält das Feuer am Brennen

Schmied Günter Schwarz und sein Schwiegersohn Uwe Fleischmann führen den liebgewordenen Brauch fort
NITSCHAREUT. „Da müssen Sie unbedingt hinkommen“, lud mich Günter Schwarz am Rande des Sängertreffens des Neuen Reußischen Sängerkreises Greiz e.V. Mitte Oktober ein. Gemeint war der Silvestertag, an dem in der Gemeinde das Stahlbier zelebriert wird. Am Vormittag hatten sich die Männer auch einige Gattinnen konnte man erkennen in bester Stimmung dicht an dicht auf die Bänke gesetzt, die in der Schmiede aufgestellt waren. Die Tradition des Stahlbiers gibt es hier in der Schmiede seit 200 Jahren wie der inzwischen im Ruhestand lebende Alt-Schmied Günter Schwarz erklärte. Nach der politischen Wende sei der Brauch kurz eingeschlafen, um dann von der Jugend des Ortes wieder aus dem Schlaf geweckt zu werden. Die Jungen wollten unbedingt wissen, was Stahlbier ist. Immer wenn wir in Erinnerungen schwelgten, konnten sie nicht mitreden, erinnert sich Herr Schwarz lächelnd. Inzwischen führt Schwiegersohn Uwe Fleischmann nicht nur die Schmiede, sondern auch die Tradition weiter: Ein Stahl wird im Feuer erhitzt, bis er glüht und wird dann in einen Blechkrug mit Bier getaucht, der es erwärmt. Durch langsames Rühren bildet sich zudem dicker Schaum. Früher tranken die Männer das Bier gleich aus diesen Krügen, weiß auch Andrea Fleischmann, die Tochter des Schmieds, die sich intensiv mit der Geschichte des Ortes Nitschareuth beschäftigte. Bis zum 22. Oktober 1811 lässt sich die Historie der Nitschareuther Schmiede zurückverfolgen, die von Johann Gottlieb Schwarz gegründet wurde.
Der Stahl ist seit etwa sechs Jahren in Gebrauch und man kann bereits eine gewisse Abnutzung erkennen, wie Günter Schwarz erklärt: Er brennt Jahr für Jahr mehr ab, verjüngt sich schon zur Spitze hin. Das Eisen setzt sich dann auf dem Boden der Kanne ab. Als man früher gleich daraus trank, war der letzte Schluck meist besonders eisenhaltig, lachte der Schmied.
Wie die Tradition des Stahlbiers entstand, ist trotz intensiver Recherchen nicht mehr nachzuvollziehen. Auch nichts ähnliches ist hier im ganzen Umkreis bekannt, wie Andrea Fleischmann sagt. Sie denkt, dass dieser Brauch auf einen Zufall zurückgehen könnte. Vielleicht war das Bier kalt und man wollte es lediglich erwärmen, so die Vermutung. Geschichtlich gesehen sei die Dorfschmiede der zentrale Treffpunkt des Ortes gewesen, weiß Günter Schwarz, der sich erinnert, schon als kleiner Junge Bier im Gasthof geholt zu haben.
Gäste des Vormittags waren auch die Choristen der Singgemeinschaft Gommla/Irchwitz mit ihrem Leiter Ulrich Jung. Günter Schwarz ist selbst seit vielen Jahren aktiver Chörsänger und blickt auf viele schöne Stunden zurück. Zum Stahlbier wurden deftige Fettbrote gereicht und natürlich gesungen. Die Bergvagabunden wurden auf dem Akkordeon von Karl-Heinz Arzt begleitet, der im Chor auch die Zither spielt.
Von ganzen Herzen wünscht sich Günter Schwarz, dass die Tradition des Stahlbieres erhalten bleibt, was aber in Hinblick auf den aktiven Einsatz seines Schwiegersohnes und seiner Familie nicht gefährdet scheint.

Antje-Gesine Marsch @31.12.2012