Ernst Röhl liest im SommerpalaisErnst Röhl las aus seinem unlängst veröffentlichten Werk »Wörterbuch der Heuchelsprache«

Voll trendy – Satiriker und Kabarettist Ernst Röhl liest im Greizer Sommerpalais

GREIZ. Wenn Worte betäuben könnten, dann befanden sich die zahlreichen Gäste der Lesung, die am Donnerstagabend im Festsaal des Sommerpalais stattfand, eine Stunde lang im verbalen ätherrausch. Der Satiriker und Kabarettist Ernst Röhl entführte in die Welt der Sprache mit all ihren Facetten an Phrasen, Stilblüten und Verfehlungen. Röhl, der viele Jahre als Redakteur beim Eulenspiegel tätig war, fühlt sich in der Heimstatt der Karikatur und dem Paradies der Zeichner immer wieder sehr wohl und sogar ein wenig von Adel, wie er versicherte. Nach Greiz hatte er neben Auszügen aus seinem unlängst erschienen Band Wörter-Buch der Heuchelsprache, auch einige Kurzgeschichten und Kalauer, die dem Geheimnis der deutschen Sprache auf die Schliche kommen sollten, mitgebracht.

Der Satiriker versteht sich nicht nur als Sammler der Medien, – Politiker und Volkssprache, sondern kommentiert diese auch. Vor allem Schlagzeilen bekannter Blätter haben es dem Meister angetan, etwa Lernen Sie schießen und treffen Sie Freunde, Beinamputierter auf freiem Fuß oder Leberwurst auf Herz und Nieren geprüft. Voll trendy im neudeutschen Sprachgebrauch zu sein, empfiehlt Ernst Röhl außerdem und stellte auch gleich einige Beispiele vor: Der Laptop wird zum Topflappen, der Striptease table zum Ausziehtisch und der Coffee to go zum Kaffee zum Davonlaufen. Wer vielleicht auf einem Bahnhof vergeblich das WC suchte, hätte sich eher nach dem Mc Cleanpoint umsehen sollen, empfiehlt Röhl. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kam in seinen verbalen Eskapaden nicht ungeschoren davon: Sie leide an oraler Inkompetenz, weil sie ihre Versprechen nicht halten könne; sei zwar eine schöne Frau, aber gefangen in einem Hosenanzug. Selbst die Beamten, die sich besonders durch Fleiß der Untergebenen auszeichnen, bekamen ihr Fett weg.

Schon allein die körperliche Anwesenheit gelte als Dienst an der Allgemeinheit. Mit der Deutschen Bahn und deren Abenteuern auf dem Schienenstrang rechnete Ernst Röhl ebenso ab, besonders mit deren Vorstand Rüdiger Grube. Ginge es nach dem Bahnchef, gebe es keine Verspätungen mehr, sondern nur noch eine frühestmögliche Ankunftszeit. Das Gesundheitswesen stellte Ernst Röhl ebenso auf den satirischen Prüfstand. In Zeiten, in denen die Praxisgebühr selbst für Arztserien im Fernsehen gezahlt werden müsse und die Zigarettenpreise stetig ansteigen würden, gelte das Raucherbein schon fast als Statussymbol. In den Kurzgeschichten Lieber schizophren als ganz allein und Reise ins Reich der Mitte nahm Ernst Röhl scharfzüngig und mit viel Witz und Humor die Befindlichkeiten von Menschen aufs Korn, die diese Art von Komik eher unfreiwillig beisteuerten.

Auf die Unwägbarkeiten der deutschen Sprache zurückkommend „Wer möchte hier schon Ausländer sein?“ sinnierte der Kabarettist drüber, warum das Wort schwanger nach all den Jahren noch immer nicht als Umstandswort zugelassen wurde. Oder nahm den Eierschalensollbruchstellenverursacher aufs Korn, der doch das Köpfen des Dreiminuten-Eies so einfach macht. Als Zugabe rezitierte Ernst Röhl die Ballade Urlaub im Sattel, die eher an ein Eugen-Roth-Gedicht erinnerte, aber als Heldenlied deklariert wurde. Herzlicher Beifall der Gäste war dem charmanten Vortragskünstler gewiss. Satire ist schlimm und widerwärtig, so das Credo des vergnüglichen Abends. Doch: Die Wirklichkeit ist viel schlimmer, wie Ernst Röhl mit erhobenem Zeigefinger demonstrierte.

Antje-Gesine Marsch @16.08.2012