2019 jährt sich die Bildung des Bezirksverbandes Greiz zum einhundersten Mal – Ein Aufsatz von Dr. Werner Querfeld
GREIZ. „Nach dem Sturz der Monarchie im November 1918 (Beginn der Novemberrevolution von 1918) gingen aus den Fürstentümern Reuß älterer Linie (Reuß-Greiz) und Reuß jüngerer Linie (Reuß-Gera) die Freistaaten Reuß älterer Linie und Reuß jüngerer Linie hervor. Die als revolutionäre Organe in Gera und Greiz gewählten Arbeiter- und Soldatenräte übernahmen die oberste Staatsgewalt und setzten sich von Anbeginn ihrer Tätigkeit entschieden für den Zusammenschluss der beiden nunmehrigen Freistaaten ein.
Am 21. Dezember 1918 wurde das „Gemeinschaftsnotgesetz über den Zusammenschluss der beiden Freistaaten Reuß auf dem Gebiet der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege” erlassen. Gemeinschaftliche Einrichtungen für beide Staaten waren fortan ein gemeinsamer Arbeiter- und Soldatenrat als Träger der höchsten Staatsgewalt mit dem Recht der Gesetzgebung, ein gemeinsamer Staatsrat als Vollzugsausschuss zur Ausübung der politischen Macht und eine gemeinsame Landesregierung mit dem Sitz in Gera (nur die Justizabteilung war in Greiz untergebracht) zur Leitung der Verwaltungsarbeit im einzelnen.
Am 2. Februar 1919 wurden in Reuß ä.L. und Reuß j.L. nach allgemeinem und gleichem Wahlrecht Landtage gewählt, in denen die USPD die überwiegende Stimmenmehrheit hatte und aus denen sich am 19. Februar 1919 im Rathaussaal von Gera der Gemeinsame Landtag der beiden Freistaaten Reuß gebildet hatte.
Dieser beschloss am 4. April 1919 das „Gesetz über die Vereinigung der beiden Freistaaten Reuß zum Volksstaat Reuß, sowie über die vorläufige Verfassung und Verwaltung”, das am 17. April 1919 in Kraft trat. Gesetzgebendes Organ war seitdem der Volksrat von Reuß. Die Staatsleitung übernahm der vom Volksrat ernannte Staatsrat von Reuß als oberstes politisches Organ. Zentralbehörde wurde die dem Staatsrat unterstellte Landesregierung von Reuß, die ihren Hauptsitz in Gera hatte.
Der Volksstaat Reuß benötigte fiir seine Verwaltung auch neue untere Verwaltungseinrichtungen. So wurden das seit 1868 für Reuß ä.L. als Untere Verwaltungsbehörde tätige Landratsamt Greiz sowie die seit 1871 für Reuß j.L. zuständigen Landratsämter Gera und Schleiz mit Wirkung vom 1. Juli 1919 aufgehoben. An ihre Stelle traten die Bezirksräte Gera, Greiz und Schleiz. Aus den bisherigen Landratsamtsbezirken gingen die Bezirksverbände Gera, Greiz und Schleiz hervor, wobei sich Gebietsaustausche erforderlich machten.
Die zum bisherigen Landratsamtsbezirk Gera gehörige Pflege Reichenfels wurde dem Bezirksverband Greiz zugeteilt. Diesem fielen außerdem noch die zum bisherigen Landratsamtsbezirk Schleiz gehörigen Orte Kleinwolschendorf, Langenwolschendorf, Leitlitz, Pahren und Weckersdorf auf Grund ihrer mit Wirkung vom 1. August 1919 erfolgten Eingemeindung nach Zeulenroda zu.
Der am 26. Februar 1919 zur Stadt erhobene Ort Triebes erhielt Niederböhmersdorf und Weißendorf als Ortsteile angegliedert.
Von der Gemarkung Niederböhmersdorf abgetrennt und nach Zeulenroda einbezirkt wurden die an der Staatsstraße Zeulenroda-Greiz gelegenen Flurteile wegen der engen industriellen und wirtschaftlichen Zusammenhänge mit Zeulenroda.
Die zu Reuß ä.L. gehörige Exklave Burgk kam an den Bezirksverband Schleiz.
Auf Grund eines Vertrages zwischen den Gemeinderäten von Hohenölsen und Neudörfel vom 12. Juli 1919 erfolgte mit Wirkung vom 2. Oktober 1919 die Eingemeindung des Ortes Neudörfel in die Gemeinde Hohenölsen (Reuß), und aus der am 12. August 1919 vollzogenen Vereinigung der Gemeinden Pöllwitz/ Reuß ä.L. (Altpöllwitz) und Pöllwitz/ Reuß j.L. (Neupöllwitz) ging nach Genehmigung durch die Landesregierung des Volksstaates Reuß vom 23. September 1919 eine neue Gemeinde mit dem Namen Pöllwitz (Reuß) hervor.
Nach Abschluss der den geographischen Gegebenheiten entsprechenden Veränderungen hatte der Bezirksverband Greiz folgende Gliederung: (alphabetisch)
1) Altgernsdorf (123 Einwohner),
2) Altgommla mit Anteil Pommeranz (412 Einwohner),
3) Arnsgrün mit Kesselmühle, Neugrün und Neuhäuser (330 Einwohner),
4) Bernsgrün (658 Einwohner),
5) Brückla (285 Einwohner),
6) Büna (109 Einwohner),
7) Caselwitz mit Krellenhäuser und Waldhäuser (682 Einwohner),
8) Cossengrün mit Lochhäuser und Schafhof (638 Einwohner),
9) Daßlitz mit Anteil Pommeranz und Wacholderschenke (348 Einwohner),
10) Dobia (241 Einwohner),
11) Dölau mit Dölaumühle (945 Einwohner),
12) Erbengrün mit Ortsteil Stern (172 Einwohner),
13) Eubenberg mit Ortsteil Gems (55 Einwohner),
14) Fraureuth (3333 Einwohner),
15) Fröbersgrün (357 Einwohner),
16) Frotschau (58 Einwohner),
17) Gablau (58 Einwohner),
18) Görschnitz reuß. Anteils (282 Einwohner),
19) Göttendorf (288 Einwohner),
20) Gottesgrün mit Heide und Anteil Neudeck (286 Einwohner)
21) Greiz mit Weißer Stein, Glohdenhammer und Kupferhammer (19.993 Einwohner),
22) Hain (75 Einwohner),
23) Hainsberg (81 Einwohner),
24) Herrmannsgrün mit Kalkhütte, Waldhaus und Schlötenmühle (1.332 Einwohner),
25) Hirschbach (89 Einwohner),
26) Hohenleuben mit Reichenfels, Nässa, Neumühle, Schloßmühle und Rettungshaus (1.805 Einwohner),
27) Hohenölsen reuß. Anteils mit Neudörfel (261 Einwohner),
28) Hohndorf mit Höllschenke, Steinermühle und Steinermühlenwirtshaus (452 Einwohner),
29) Irchwitz mit Hirschmühle, Neumühle, St. Adelheid und Thalbach (3.953 Einwohner),
30) Kahmer (291 Einwohner),
31) Kauern mit Kauermühle (85 Einwohner),
32) Kleinreinsdorf mit den Ortsteilen Grüne Eiche und Grellenschenke (503 Einwohner),
33) Kühdorf (109 Einwohner),
34) Kurtschau mit Heinrichsgrün und Neukurtschau (657 Einwohner),
35) Langenwetzendorf (1.840 Einwohner),
36) Leiningen (100 Einwohner),
37) Lunzig (174 Einwohner),
38) Mehla (347 Einwohner),
39) Mohlsdorf (221 Einwohner),
40) Moschwitz (534 Einwohner),
41) Naitschau mit Perthelsmühle und Stöckelsmühle (630 Einwohner),
42) Neuärgerniß (149 Einwohner),
43) Neugernsdorf mit Neuschenke, Schieferbruchhaus und Schwanhäuser (215 Einwohner),
44) Neugommla mit Anteil Pommeranz (631 Einwohner),
45) Nitschareuth mit Bretmühle, Knottenmühle, Anteil Knottengrund, Neumühle und Neuhammer (432 Einwohner),
46) Obergrochlitz (776 Einwohner),
47) Pöllwitz (813 Einwohner),
48) Pohlitz mit Brandhaus und Feldschlößchenbrauerei (2.929 Einwohner),
49) Raasdorf (417 Einwohner),
50) Reinsdorf (260 Einwohner),
51) Reudnitz mit den Ortsteilen Eichberg, Fuchsloch, Haardtberg und Sauhut sowie den Anteilen von Neudeck, Gottesgrün und Mohlsdorf (1.371 Einwohner),
52) Rothenthal (556 Einwohner),
53) Sachswitz (587 Einwohner),
54) Schönbach mit Cunsdorf reuß. Anteils, Kölbelmühle, Taubenmühle und Reußischer Hof (303 Einwohner),
55) Schönbrunn (77 Einwohner),
56) Schönfeld (741 Einwohner),
57) Sorge-Settendorf (192 Einwohner),
58) Triebes mit Niederböhmersdorf und Weißendorf (5.190 Einwohner),
59) Tschirma mit Dreischwan und Lehnamühle (260 Einwohner),
60) Untergrochlitz (306 Einwohner),
61) Waltersdorf bei Greiz-Irchwitz (180 Einwohner),
62) Wellsdorf (274 Einwohner),
63) Wildetaube (319 Einwohner),
64) Wolfshain mit den Ortsteilen Obere Kalkgrube und Untere Kalkgrube (122 Einwohner),
65) Zeulenroda mit den Ortsteilen Alaunwerk, Haardt, Märien, Kleinwolschendorf, Langenwolschendorf, Leitlitz, Pahren und Weckersdorf (12.024 Einwohner) sowie
66) Zoghaus (344 Einwohner).
Der Volksstaat Reuß ging nach dem Zusammenschluss mit den Freistaaten Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen, Gotha, Sachsen-Altenburg, Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen in dem mit Wirkung vom 1. Mai 1920 gebildeten Land Thüringen auf. In der Übergangszeit bis 31. März 1923 lebte er noch als Kommunalverband höherer Ordnung mit der Bezeichnung „Gebiet Gera-Greiz” fort. Die Bezirksverbände Gera, Greiz und Schleiz bestanden bis zum 30. September 1922. An ihre Stelle traten unter Angliederung benachbarter thüringischer Gebietsteile die thüringischen Landkreise Gera, Greiz und Schleiz sowie die Stadtkreise Gera und Greiz.
Dr. Werner Querfeld
Nachweise:
— Thür. Staatsarchiv Greiz: a) Reuß. Landratsamt Greiz Nr. 803 und 1291, b) Gesetzsammlungen sowie Amts- und Verordnungsblätter für Reuß älterer Linie, Reuß jüngerer Linie, die beiden Freistaaten Reuß und den Volksstaat Reuß 1919 f.
— Diezel, Rudolf: Übersicht über die Bestände des Landesarchivs Greiz. Weimar 1963
— Fleischer, Horst: Quellen zur Geschichte der Novemberrevolution in Ostthüringen; in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena/ Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe 1968 (Jahrgang 17) Heft 4, S. 449-467
— Heß, Ulrich: Geschichte der Behördenorganisation der thüringischen Staaten und des Landes Thüringen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahre 1952 — Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe, Band 1, Jena/ Stuttgart 1993.
— Kopp, Walter: Gründung der KPD in Greiz; in: Greizer Heimatbote 1969, Heft 2, S. 29 ff
— Pöhland Walter: Die Entwicklung der Arbeiterbewegung in Ostthüringen von 1914 bis 1920 (Phil. Diss. Halle 1965)
— Querfeld, Werner: Arbeiten zur Novemberrevolution 1918 im Greizer Land — Eine Zusammenstellung zum 50. Jahrestag, in: Greizer Heimatbote 1968, Heft 11, S. 244 ff.
Antje-Gesine Marsch @26.01.2019