Jakob von Weizsäcker bei Prominente im GesprächEuropa - und wie weiter? titelte die Veranstaltung mit dem Europa-Abgeoedneten der SPD, Jakob von Weizsäcker.

SPD-Europaabgeordneter Jakob von Weizsäcker referiert im Weißen Saal des Unteren Schlosses bei „Prominente im Gespräch“

GREIZ. Europa ist nicht nur ein Kontinent. Die europäische Einigung, wie sie im Jahr 1950 visionär durch die „Schumann-Erklärung“ auf den Weg gebracht und im Jahr 1992 mit dem Vertrag von Maastrich besiegelt wurde, gleicht angesichts jahrhundertelanger kriegerischer Auseinandersetzungen eher etwas Außergewöhnlichem. Davon zeigt sich Jakob von Weizsäcker (46) überzeugt. Warum die Erfolgsgeschichte allerdings ins Stocken geriet – dieser Frage wollte der Politiker am Freitagabend bei “Prominente im Gespräch” nachgehen. Der SPD-Abgeordnete im Europa-Parlament referierte im Weißen Saal des Unteren Schlosses über die Thematik „Europa – und wie weiter?“.

Es kriselt seit sechs Jahren

Nach Auffassung von Weizsäckers kriselt es bereits “seit im Mai 2010 das erste Rettungspaket für Griechenland geschnürt wurde”. Der Euro-Krise folgte die Flüchtlings- und schließlich die Sicherheitskrise. “Genau jetzt” sei es an der Zeit, einen konkreten Plan zu erarbeiten, der die Richtung in Europa aufzeige, betonte der in Heidelberg geborene Wahl-Erfurter. Der „deutsch-französische Motor“, wie er in der Verbindung Konrad Adenauer – Charles de Gaulle oder François Mitterand – Helmut Kohl gestartet wurde, müsse wieder „zum Laufen gebracht“ werden. Man müsse sich endlich entscheiden, ob man ein „Haus aus Stroh, Holz oder Stein“ bauen wolle. Damit der Euro wieder Stabilität erlange, könne es nur das Haus aus Stein sein, so von Weizsäcker, der allerdings bemängelt, dass es in der EU weder einen Finanzminister noch ein gemeinsames Budget gebe.

Thema Brexit

Auch das Thema Brexit, der geplante Austritt Großbritanniens aus der EU, über den am 23. Juni durch ein Referendum entschieden wird, kam am Freitagabend auf den Tisch. Für Deutschland und Frankreich war die EU stets eine innige „Herzensangelegenheit“ – die Briten hätten sich lediglich wirtschaftliche Vorteile erhofft. In Anbetracht der europäischen Krise sei es möglich, dass man die EU nunmehr eher für einen „Loser-Club“ halte, mit dem nach nichts zu schaffen habe wolle, vermutet Jakob von Weizsäcker.

Auf bessere Zeiten warten?

Auf bessere Zeiten, respektive bessere Stimmung in Europa zu warten, hält der Ökonom und Politiker für „keine gute Strategie“. Die „Europa-Skepsis“ könne in Anbetracht, dass eine Krise die andere jage, sogar größer werden. Gerade beim aktuellen Thema Flüchtlinge. Für eine europäische Lösung dieser humanitären Krise sollte man das „Durchwurschteln“ beenden und stattdessen eine deutsch-französische Initiative auf den Weg bringen; inklusive echter Perspektive für ein Schengen 2.0. „Der humanitäre Umgang mit Flüchtlingen und der Schutz der Außengrenzen sind europäische öffentliche Güter, die in Zukunft zuverlässig europäisch finanziert und bereitgestellt werden müssen“, lautet die Forderung des Europa-Abgeordneten. Bereits im Vorfeld hätte man erkennen müssen, dass das erste Schengener Abkommen, das die nationale Finanzierung beinhaltet, nicht krisenfest ist“, so von Weizsäcker. Von Wichtigkeit sei für die Zukunft, dass „Alleingänge von Deutschland“ als stärkstem EU-Mitglied, wie sie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik praktizierte, vermieden werden müssen. Das schüre die „Ur-Angst“ der anderen EU-Staaten, dass das starke Deutschland dominiere und man die globalen Fragen lediglich vom „Katzentisch“ aus verhandeln dürfe. Wiederholt mahnte Jakob von Weizsäcker „europäische Gesamtlösungen“ an.

Mit Harald Seidel und den Gästen im Gespräch

Dr. Ulf Merbold gehörte auch zu den Gästen der Veranstaltung. Der Astronaut und Ehrenbürger der Stadt Greiz brach eine Lanze für die Europäische Gemeinschaft: 26 Jahre habe er erfolgreich für die Europäische Weltraumbehörde ESA gearbeitet. Diese Jahre würden als „goldenes Zeitalter“ in die Geschichte eingehen. Ganz gleich, welche Dynamik derzeit in der EU zu verzeichnen sei: „Sie ist eine singuläre Erfolgsgeschichte, die es weiterzuführen gilt“, so der studierte Physiker. Fehler habe primär das „deutsche Spitzenpersonal“ gemacht.

Antje-Gesine Marsch @29.05.2016