Erhebendes Reformationskonzert in Greizer StadtkircheDie Solisten Felix Rohleder und Clara Rohleder.

Zahlreiche Gäste erlebten am 31. Oktober ein erhebendes Reformationskonzert in der Greizer Stadtkirche St. Marien

GREIZ. Martin Luther, geboren am 10. November 1483, hatte nach der Schulausbildung ein Jurastudium an der Universität Erfurt begonnen, als im Juli 1505 ein Gelübde in Todesnot ihn zur Abkehr von seiner weltlichen Karriere bewog. Er trat ins Kloster der Augustinereremiten ein und stieg als hochbegabter Mönch innerhalb des Ordens rasch auf, wurde Priester, durchlief ein Theologiestudium und promovierte schließlich 1512. Durch die Professur in Wittenberg gelangte er zu der Erkenntnis, dass das alltägliche religiöse Erleben sich weit von den Grundlagen des Christentums entfernt hatte. Am Tag vor Allerheiligen 1517 hatte Martin Luther seine 95 Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen, um den Ablasshandel anzuprangern. Heute wird jenes historischen Aktes jährlich am 31. Oktober mit dem Reformationstag gedacht – in diesem Jahr zum 500. Mal.

Auch in Greiz wurde an dieses bedeutende Jubiläum mit dem „Konzert zum Reformationstag“ erinnert. Unter Leitung des Greizer Kantors Ralf Stiller musizierten die Vogtland Philharmonie Greiz/Reichenbach, der Kantatenchor an St. Marien und Solisten.

Kein anderes Werk wäre wohl dem Anlass so gerecht geworden, wie die Sinfonie Nr. 5 op. 107, die „Reformations-Sinfonie“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, die dem Konzert vorangestellt war. Mit dieser Sinfonie setzte der Komponist dem Reformator Martin Luther und damit dem Protestantismus ein musikalisches Denkmal – Historischer Anlass war der 300. Geburtstag der Augsburger Konfession.
Sakral getragen begann das Werk und stimmte so auf den geistlichen Charakter ein. Der erste Satz steigerte sich bis zum musikalischen Motiv „Dresdner Amen“. Im letzten Satz feiert Mendelssohn Bartholdy musikalisch den Sieg des Protestantismus, indem er Luthers Choral „Ein feste Burg“ zum Hauptmotiv der Sinfonie ausbaut und gleich einer Hymne triumphieren lässt; dazwischen erlebbar ein äußerst kontrastbetontes Musizieren zwischen Leiden und Leidenschaft, Freude und Trübsal.

Im Anschluss erklang aus Johann Sebastian Bachs h-moll-Messe (BWV 232) – einer der bedeutendsten geistlichen Kompositionen und zudem Bachs letztem großen Vokalwerk – das Kyrie eleison (Herr, erbarme dich), dem sich die Bach-Kantate „Eine feste Burg ist unser Gott“ anschloss.
Dem machtvollen Eingangschor folgten Rezitative und Arien, die die ganze Breite der Sprachbildkunst Bachs widerspiegelten.
Die transparente Spielweise der Vogtland Philharmonie und die engagierte Interpretation durch den Kantatenchor gaben dem Werk eine ungeheure Kraft und Intensität, die den gesamten Kirchenraum mit Macht erfüllte, unter die Haut ging und Ergriffenheit erzeugte. Die Vorgaben des Dirigenten wurden vom Chor, der durch Homogenität glänzte, sensibel eingelöst.

In empfindsamer Weise korrespondierten auch die jungen Solisten Clara Rohleder (Sopran), Henriette Gödde (Alt), Christopher Bala Fischer (Tenor) und Felix Rohleder (Bass) mit dem Kantatenchor. Die Vogtland Philharmonie Greiz/Reichenbach überzeugte wiederum mit Professionalität, vor allem in der Reformationssinfonie differenzierten die Bläser mit Fülle und Klangfarben.

Kantor Ralf Stiller hielt alle musikalischen Fäden souverän und fest in der Hand.

Der minutenlang anhaltende Beifall und die stehenden Ovationen waren beredtes Zeugnis für die hohe Qualität der Aufführung, die zu einem Höhepunkt im kirchenmusikalischen Jahr 2017 avancierte.

Das geistliche Wort des Abends sprach Pfarrer Michael Riedel. „Gläubigen Menschen ist die Welt nicht egal.“ Glaube sei schleßlich kein Rückzug aus der Verantwortung. Nicht Leistung, Können oder Wissen, sondern die Liebe sei das Zentrum. „Für den Glauben muss man sich engagieren“, so der Geistliche. Sich in den gesellschaftlichen Dialog einzumischen, forderte er auf und stellte am Beispiel des Kantatenchores an St. Marien die gelebte Ökumene in der Stadt Greiz vor. „Der Chor trägt den Glauben musikalisch in die Welt.“
Doch Luther als Playmobilfigur? Wenn der Reformator en miniature zur meistverkauften Figur aller Zeiten wurde, scheint das ein Beweis zu sein, dass die Freude über das Leben im Mittelpunkt steht. Schließlich soll Freude im Glauben und der Kirche erlebbar sein. Das wiederum versöhnt den Vergleich mit der Plastefigur: Sie lächelt.

Antje-Gesine Marsch @01.11.2017