Zur Geschichte des WeihnachtsstollensDer Geschichte des Weihnachtsstollens geht Pfarrer Helmut Warmuth auf den Grund.

Der Greizer Pfarrer Helmuth Warmuth geht der Geschichte des Weihnachtsstollens auf den Grund

GREIZ. Der Weihnachtsstollen ist in der Weihnachtszeit buchstäblich in aller Munde. Er gehört zum Christfest dazu wie Christbaum und Bescherung. Freilich ist die Geschichte und Bedeutung des Weihnachtsstollens meist nur teilweise bekannt. Deshalb ist es der Sinn dieses Beitrags, dahinein Licht zu bringen, die christliche Geschichte unseres Weihnachtsstollens zu erhellen, um diesen schönen alten Brauch wieder besser verstehen zu können.
Das Backen von Stollen hat im Kirchenjahr zunächst zu tun mit dem 28. Dezember, dem Tag der unschuldigen Kinder. Da ist das in den Kirchen einst gelesene Evangelium dasjenige von den kleinen Kindern Bethlehems, die der König Herodes damals töten ließ. Er meinte auf diese Weise auch das Christkind, dessen künftiges Königtum er fürchtete, umbringen zu können. Im Matthäusevangelium (2,13-18) ist von dem allen Bericht gegeben.
Die Kirche hat nun einst diesen Vorgang von den unschuldigen Kindern in das Kirchenjahr eingefügt, um ihrer und ihres Opfers allzeit zu gedenken. Also findet sich im Weihnachtskreis, drei Tage nach dem 1. Christtag, jener Tag der unschuldigen Kinder, deren frühvollendetes Leben gleichsam um Jesu willen hingegeben worden ist. Seit dem 5. Jahrhundert wurde der Gedenktag für die bethlehemitischen Kinder, die nicht nur ohne Schuld und als Märtyrer, sondern — so die Deutung — sogar stellvertretend für Jesus Christus gestorben sind.
Und später bekam der 28. Dezember, der Tag der unschuldigen Kinder, ein Brauchtum, das sich bis heute behauptet in Form des Weihnachtsstollens. Der Stollen war zunächst schlicht ein Hinweis auf die unschuldigen Kindlein. Die Form des Stollens deutet auf ein in Tücher eingeschlagenes Kleinkind.
Und der Stollen wurde am 28. Dezember angeschnitten. Dieser so verstandene Stollen wurde in Mitteldeutschland ein erstes Mal im Jahre 1329 in Naumburg erwähnt. Er war ein in mehreren deutschen Gebieten vorhandenes Gebäck und wurde überall mit besonderer Sorgfalt vorbereitet und gebacken.
Sehr bekannt waren die sächsischen Weihnachtsstollen, von denen die Dresdner und Leipziger Stollen seit der Reformationszeit besonders geschätzt waren. Daß sich auch die Thüringer auf das Backen des Weihnachtsstollens verstanden haben und noch verstehen, ist allen bekannt.
Indem nunmehr vom Weihnachts-oder Christstollen die Rede ist, hat sich eine inhaltliche Verschiebung ergeben. In evangelischer Zeit wurde der Brauch der Stollenverkostung vom 28. Dezember auf den 1. Weihnachtsfeiertag verlegt. Und nicht mehr von den unschuldigen Kindern Bethlehems leitet sich da der Brauch ab, Stollen zu backen und zu verzehren. Stattdessen bezieht man fortan im Allgemeinen die Stollen auf das Christkind, das der Herr der Weihnacht ist.

Wolfram Böhme, ein sächsischer Theologe und Lyriker unserer Zeit, hat das in kindlicher und origineller Weise so gereimt:

„Stollen mundet uns enorm.
Doch was soll die seltne Form!? Wie gewickelt, wie gerollt,
Kissen, das ihr halten sollt,
Steckbett für ein Wickelkind,
so ein süßes kleines Bündel,
wie es einst das Christkind war,
all das stellt ein Stollen dar.
Jesus soll der Stollen sein, Sohn Marias, zart und klein…
Denn den lieben kleinen Herrn haben wir zum Fressen gern.”

Quelle: Greizer Heimatbote Dezember 2003

Helmut Warmuth @12.12.2018

Von Leserpost