Erfüllung des Lebentraumes in greifbarer NäheNeue Medikamente gegen den Blutkrebs standen im Fokus des Vortrages von Prof. Michael Hallek.

Prof. Michael Hallek referierte bei „Prominente im Gespräch“ zum Umgang mit Leukämie und dem Kampf gegen diese Krankheit
GREIZ. Ein medizinisch interessantes, dabei sehr ernstes Thema stand am Donnerstagabend im Fokus der Prominente-im-Gespräch-Veranstaltung, zu der Harald Seidel in den Weißen Saal des Unteren Schlosses eingeladen hatte. Der Kölner Krebsforscher und Direktor der Uniklinik I für Innere Medizin, Prof. Dr. Michael Hallek referierte zum Thema „Umgang und Kampf mit Leukämie“, wobei er zunächst schilderte, weshalb er sich gerade mit dieser Krankheit auseinandersetzt und dazu intensive Forschungen betreibt. Prof. Hallek, der im fränkischen Hof/S. geboren wurde, wollte eigentlich Hausarzt werden, bekam aber auf der Station für Blut-und Krebserkrankungen an der Universität München eine Stelle angeboten. Dort sah er Patienten, die akute Leukämie hatten und mit Chemotherapien behandelt wurden. Auffällig seien dem Mediziner vor allem die Nebenwirkungen gewesen. „Ich dachte, das kann doch nicht alles sein”, beschrieb der Mediziner seine Unzufriedenheit. Die Forschung wurde seitdem für den Mediziner zur ärztlichen Pflicht. Er konzentrierte sich im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit auf die Neu-und Weiterentwicklung spezifischer molekularer Therapien für die chronische lymphatische Leukämie (CLL) und forschtenach einer “intelligenteren Behandlungsmöglichkeit”. Das war für ihn auch der Hauptgrund, in der Forschung zu bleiben. Für das Thema CLL hätten sich Mitte der 1980er Jahre zudem nicht viele interessiert: “Es war quasi unerforschtes Gebiet.” Das sollte sich in den 90er Jahren grundsätzlich ändern; heute “leben wir in einer Zeit, in der sich vieles tut”, so Prof. Hallek in Bezug auf den Erkenntnisgewinn der letzten Jahre. Heute träume er davon, mit einer gezielten Medikation die Krankheit unter Kontrolle zu bringen. “Wir hoffen darauf, dass somit die Lebenserwartung nicht eingeschränkt wird”, umreißt er die “Faszination Forschung”.

Wie entsteht die Krankeit CLL?
Vor allem genetische Ursachen seien der Grund für den Ausbruch der Krankheit “Chronische lymphatische Leukämie”. Sie ist die am häufigsten vorkommende Leukämieform und entsteht oft erst im höheren Lebensalter, nannte Prof. Hallek das Alter 72 als Durchschnitt. “Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer klonalen Vermehrung von reifen, kleinzelligen, aber funktionslosen B-Lymphozyten“, umriss der Wissenschaftler das Krankheitsbild. „Massive Genfehler“ gehören zu den Auslösern der CLL. Besonders das Molekül p53, dessen Defekt eine enorme Schadwirkung hat, spiele eine wichtige Rolle. Die Zellen beginnen sich unkontrolliert zu vermehren, trotz genetischen Defekts, was schlussendlich zur Tumorbildung führe. Neu entwickelte Medikamente sollen in erster Linie die „fehl geschalteten Balancen korrigieren“.

Behandlungsmöglichkeiten der CLL
Was derzeit die Medizin revolutioniere, geschieht aus dem Verständnis des Krebses heraus, zeigt sich der Mediziner überzeugt. Ihm gelang es, die Behandlung dieser Blutkrebsart wesentlich zu verbessern und zum ersten Mal sogar eine Verlängerung des Gesamtüberlebens zu erzielen. Die Patienten erhielten dabei neben einer „milden“ Chemotherapie auch Infusionen mit Rituximab, einem gentechnisch hergestellten Antikörper. Die Therapie hängt vom Zustand des Patienten und seinem genetischen Hintergrund ab, ließ Prof. Michael Hallek dazu wissen. Dazu muss festgestellt werden, wie „fit“ der Patient ist. Etwa ein Drittel der Erkrankten werden lediglich „beobachtet“. Selbst Patienten, die nicht ganz so „fit“ seien“ könnten durchaus weitere 15 Lebensjahre erwarten. „Es lohnt sich also, auch ältere Patienten zu behandeln, die halbwegs fit sind“, so Prof. Hallek. Wie er betonte, sei das Ziel der personalisierten Medizin, Therapien individuell auf den Patienten auszurichten und somit die Effektivität der Behandlung zu steigern und unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden. Die neu entwickelten Medikamente wirken bei den Patienten „fundamental“ und verbessern die Lebenszeit, betonte Prof. Hallek. Dabei biete sich die kombinierte Medikation an. „Wir bekommen derzeit zunehmend innovative Medikamente, wobei teilweise sogar mehrere neue Wirkstoffe verfügbar werden“, so der Mediziner. Man wisse, dass es sinnvoll ist, diese Substanzen nacheinander zu geben oder auch zu kombinieren. Doch wisse man meist nicht, welche Patienten von welcher Therapie am meisten Nutzen ziehen. Um das sicher erkennen zu können, müssten die Wirkstoffe „möglichst breit getestet werden“, sonst würden unter Umständen „wertvolle Therapiechancen vertan“.

Das Wort „Heilung“ bringt Prof Hallek nicht ins Gespräch
„Durch die zahlreichen neuen medizinischen Erkenntnisse und erfolgreich durchgeführten Studien glauben wir, die Krankheit CLL in Langzeitkontrolle zu bringen“, zeigt sich der Wissenschaftler überzeugt. In etwa zehn Jahren wird Prof. Hallek seinem Lebenstraum ganz nahe sein: zumindest eine Tumorart heilen zu können. Eine „Heilung“ im klassischen Sinne werde allerdings erst in dreißig Jahren sichtbar sein. Als Credo des Abends ließ er verlauten, dass alle Menschen, ganz gleich, wie hoch ihr Einkommen oder Bildungsgrad ist, diese Therapiemöglichkeiten erhalten sollen. „Dazu werden wir neue Wege gehen müssen, um die optimale Versorgung von Krebspatienten zu vertretbaren Kosten zu gewährleisten.“

Antje-Gesine Marsch @04.03.2016