Dass man in gut zwei Stunden den fünf Kandidaten, die sich am 22. April der Wahl zum Landrat/zur Landrätin stellen werden, nur eine Minimal-Möglichkeit geben kann, auf zahlreiche Fragen eine Antwort zu finden und diese möglichst komprimiert darzubieten, ist sicher verständlich. Am Donnerstagabend fand im Foyer der Vogtlandhalle das OTZ-Wählerforum statt.
GREIZ. Sabine Rohrer (parteilos), Joachim Brock (FDP), Martina Schweinsburg (CDU), Dr. Jörg Geißler (IWA) und Ines Zipfel (Die Linke) beantworteten nach einer kurzen Vorstellung zunächst die Fragen, die OTZ-Leser im Vorfeld der Veranstaltung per Mail an die Redaktion geschickt hatten. Lokalchefin Kathrin Schulz und deren Kollege Uwe Müller (Redaktion Zeulenroda) stiegen als Moderatoren auch gleich in die Gesprächsrunde ein. Die derzeit brennende Frage Nr. 1 in Greiz ist natürlich die nach der neuen Mehrzweckhalle. Martina Schweinsburg unterstrich, dass sich der Landkreis finanziell daran nicht beteiligen werden; ebenso wenig wie am Bau einer Kindertagesstätte in der Neustadt. Das geschieht alles in kommunaler Eigenverantwortung, so die Landrätin, die als Routinier vorgestellt wurde. Nach ihrer ersten Amtshandlung als Landrätin wurde Ines Zipfel, die für Veränderung des politischen Kurses steht, gefragt.
Sie wolle am ersten Tag nicht alles umkrempeln, sondern sachliche Beratungen mit dem Team anstreben. Sabine Rohrer, Malermeisterin aus dem Vogtländischen Oberland hat nichts zu verlieren, wie sie selbst sagte. Dabei steht sie politisch auf bunte Farbe, dass nicht das Parteibuch über das Ach und Wehe der Bürger entscheidet. Dr. Jörg Geißler ist Chef einer Schokoladenfirma. Ob es sich lohne, diesen süßen Job aufzugeben, wollte Kathrin Schulz dazu wissen. Wir wollen endlich aufhören, über alles zu lästern; wir müssen etwas dagegen tun. Joachim Brock, auf dem Areal der Neuen Landschaft Ronneburg für die gärtnerische Arbeit zuständig, gilt als Mann der leisen Töne. Selbst nannte er sich besonnen und korrekt, offen und ehrlich. Das Thema Dörfersterben rückte dann in den Fokus der Betrachtungen. Einer Studie zufolge ist der Bevölkerungsschwund nirgendwo so groß wie auf dem Lande. Zwei Drittel aller ländlichen Gemeinden haben danach zwischen 2003 und 2008 mehr als ein Prozent ihrer Bewohner verloren. Das ist ein natürlicher Vorgang, meinte Martina Schweinsburg. Im Übrigen stamme das Gutachten aus der Zeit der großen Abwanderung und sei vom grünen Tisch aus erstellt worden. Die Chancen, gerade junge Menschen im Alter von 20 bis 35 Jahren hier in der Region halten zu können, sei gering, meinte Ines Zipfel.
Nicht mit dieser Einkommenssituation! Die Tatsache, dass allein im Landkreis Greiz 17 Hausärzte fehlen, brachte Uwe Müller aufs Tableau. Würde die Region wirtschaftlich aufblühen, würden die Mediziner auch wieder in unsere Gegend kommen, entgegnete darauf Dr. Jörg Geißler. Am Beispiel von Hohenleuben brachte Joachim Brock ein, dass seitens des Bürgermeisters Dirk Bergner selbst mit einer ausgestatteten Praxis und einem angebotenen Grundstück von 1000 Quadratmetern kein Arzt bewegt werden konnte hierher zu kommen. Vielleicht solle man angehenden Medizinern ein Stipendium anbieten, dass sie nach Abschluss des Studiums verpflichte, im Landkreis Greiz zu praktizieren, schlug Joachim Brock weiterhin vor. Jeder, der Landrat werden will, sollte sich mit den Gesetzen auskennen, forderte Martina Schweinsburg energisch. Würde die Position Stipendium im Haushaltsplan auftauchen, würde sie sofort gestrichen. Die Idee ist sicher gut, aber nicht realisierbar. Was wäre, wenn alle keine Utopien mehr hätten?, entgegnete Joachim Brock im Namen der Kandidaten. Wer denkt, er könne nichts mehr verändern, sollte sich nicht hierher setzen, warf Sabine Rohrer ebenfalls ein. Dass Martina Schweinsburg den Mitbewerbern um das Amt zweiundzwanzig Jahre Erfahrung voraus hat daraus machte sie auch an diesem Abend keinen Hehl. Souverän, aber nicht selten mit einem Seitenhieb auf die Unerfahrenheit der anderen vier Kandidaten sprach die Landrätin über Erreichtes und über Pläne, beispielsweise die gemeinsame Destination Vogtland. Die länderübergreifende Arbeit nach Sachsen stellte auch Dr. Jörg Geißler in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Man müsse endlich ein touristisches Konzept aufstellen und umsetzen, sowie eine zentrale Stelle für die Vermarktung schaffen. Dass man das seit Jahren praktiziere und längst dazu eine Studie in Auftrag gegeben wurde, unterstrich die Landrätin und forderte die Hausaufgaben vor Ort zu machen.
Den Fragen der OTZ-Leser folgte die Diskussion der Gäste, die schon ungeduldig warteten, die Kandidaten ins Kreuzfeuer zu nehmen. Peter Jugel meinte in Hinsicht auf die große Abwanderung, man habe in den letzten Jahren viel verpasst. Sylvia Nehmisch meinte in ihrem kurzen Statement, an Martina Schweinsburg gewandt, ob es nicht Zeit für einen Generationswechsel sei. Den Wegzug der Rentenstelle aus Greiz monierte Siegfried Schnürer und der Weidaer Bürgermeisterkandidat, Dr. Bankwitz hielt eine brennende Rede zur Verantwortung der Demokratie und Bürgerrechte. Gerhard Helmert aus Triebes hat es satt, immer nur zu hören Wir kümmern uns mal!. Damit schaffe man nicht einmal einen halben Arbeitsplatz, wie er betonte. Greiz als Universitäts- oder Fachhochschulstandort zu etablieren, schlug Andre` Seifert vor. Veränderungen haben sich wohl alle Kandidaten mehr oder weniger auf die Agenda gesetzt. Doch blieben sie auch bei dieser Veranstaltung Antworten schuldig, wie sie diese umsetzen wollen. Klar ist auch, dass Martina Schweinsburg durch drei Legislaturperioden als Landrätin eine enorme Erfahrung vorweisen kann, die sie die Mitbewerber natürlich spüren lässt. Amtsmüdigkeit nannte es einer der Veranstaltungsbesucher. Inwieweit dies zutrifft, ist wohl nicht einschätzbar. Fakt ist, dass sich im Landkreis in den letzten Jahren viel getan hat siehe auch Artikel CDU-Kandidatin stellt sich vor was nicht von der Hand zu weisen ist. Routine und Kontinuität gegen Unerfahrenheit und Veränderungen eine schwierige Entscheidung, die den Wähler am 22. April an der Wahlurne erwartet.
Antje-Gesine Marsch @30.03.2012
Auch ich war bei dem Forum. Teilweise war es sehr interessant, sehr lustig und informativ. Interessant vor allem dahingehend, wie frei bestehende Fakten „interpretiert“ wurden. Lustig (eigentlich mehr Galgenhumor) war die Tatsache, wie unvorbereitet alle Bewerber bei manchen Themen waren. Da konnte die Amtsinhaberin ihren Informations- und Machtbonus voll ausspielen.
Zum Thema Nahverkehr und MDV möchte ich mich hier jetzt nicht äußern. Das würde den Rahmen einen Kommentares sprengen. Aber die Sache mit den „vollen Schulen“, dazu habe ich eine andere Meinung als Frau Schweinsburg. Die Schulen sind m.E. so voll, weil sich die „paar“ verbliebenen Schüler auf so wenige Schulen konzentrieren – und nicht, weil es wieder so viele gibt. Die Schulwege und die dazugehörigen Wegezeiten sind für viele schon an der Grenze des Belastbaren angekommen. Oder sind 25 min Aufenthalt am Bergaer Bahnhof zwischn Ankunft des Busses und Abfahrt der Vogtlandbahn nach Greiz zumutbar?
Was mich etwas gestört hat, war die nur mühsam versteckte Sympathie der Moderatoren für einzelne Bewerber. Etwas mehr Professionalität hätte ich da schon erwartet.
Ein heftiges „Buuuuuuuuuuh“ möchte ich auf diesem Weg an Herrn Helmert aus Triebes schicken. Er hat sich hier leider genauso als Parteisoldat entpuppt wie Herr Seidel von der SPD letzte Woche.
Interessant war die Reaktionen einiger Anwesender auf das Eintreffen des Herrn Röder. Herr Frantz wurde sichtlich nervös, einige andere kurzzeitig leichenblass. Was manche doch eine Angst vor ihm haben?
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
interessant war bei der Veranstaltung die Frage nach der Gemeinde- und Gebietsreform. Merkwürdig, dass Frau Schweinsburg ausgerechnet hier dem Bürgerwillen Vorrang ließ. Schade das Herr Grüner nicht anwesend war. Seine Meinung dazu, dass Frau Schweinsburg die Stadt Greiz bei den dringend notwendigen Eingemeindungen nicht unterstützt hat, würde mich sehr interessieren.
An Herrn Müller. im Übrigen muss ich Torsten Röder recht geben- ihre Abneigung gegenüber den anderen Kandidaten war teilweise überdeutlich- Mimik und Gestik können Bände sprechen.
Sie hätten ruhig mal nachhaken können, was Frau Schweinsburg außer der seit 20 Jahren verschlafenen „Destination Vogtland“ für die Zukunft des Landkreises auf Lager hat. Ein „weiter so“ bringt den Landkreis leider nicht vom vorletzten Platz in allen Kategorien inThüringen. Veränderungen sind sehr wohl nötig!
Mit freundlichen Grüßen, Christian Wächter.
@ Herr Müller – peinlich, haben Sie kein eigenes Printmedium?
Aber Sie haben Recht: dieser Artikel ist ausgewogen und sehr gelungen. Beim nächsten OTZ- Wahlforum zur Kommunalwahl würde ich mir folgende Dinge (u.a. von der OTZ- Moderatoren) wünschen:
1. keine offenkundige Bevorteilung der Amtsinhaber durch längere Redezeit und keine Möglichkeit der Selbstdarstellung (Dafür haben die Amtsinhaber ja Amtsblätter, wo sie Wettbewerber ausschließen, stimmt ´s Herr Grüner?)
2. Begrenzung der Antwort- Redezeit bei den Kandidaten (und auch für Fragesteller aus dem Publikum)
3. Vorbereitung der OTZ- Redakteure auf die Fragen, d.h. reinkrätschen bei den allseits bekannten Floskeln von Amstinhabern. Bsp: „Wir wollen die Gebühren stabil halten“ – da hätte ein richtiger Journalist nachgehakt mit der Frage „Und wo wollen Sie dann konkret kürzen- das Haushaltsloch von 1,5 Mio.€‚¬ müssen Sie doch schließen?“.
3. Fragen im Forum stellen und nicht nur beim Amtsinhaber nachsetzen, der dann mit bekannten Floskeln antwortet. Bsp: TAWEG- Verbraucherbeirat- die Grünersche Antwort mit der BI hatte ich schon in der Ursprungsfrage, bei Amtsinhabern versagt der journalistische „Jagdinstinkt“ kläglich. Ein Schelm, der Arges dabei denkt.
Stellen Sie doch mal beim OTZ- Facebook- Account die Frage ein, wie die Bürger die organisierten Wahlforen fanden. Die Antworten wären bestimmt spannend.
Gratulation – das ist sehr gelungen 🙂
Beste Grüße, Uwe Müller