Party für Ulf-Merbold-GymnasiumDas Gymnasium heißt nun Ulf-Merbold-Gymnasium

Statt Wählerwillen widerzuspiegeln, sollen Ausschuss- und Zählgemeinschaften Machterhalt sichern?

Zur Kommunalwahl am 26.05.2019 wählten die Bürger des Landkreises Greiz auch einen neuen Kreistag, der aus 46 Kreistagsmitgliedern plus Landrätin besteht. Zu dieser Kommunalwahl wirbelten die Wählerinnen und Wähler den Kreistag deutlich durcheinander. Die Scheinkandidatur von Landrätin Martina Schweinsburg bescherte der CDU-Fraktion zwar erneut deutlich mehr Mandate (zwei Nachrücker) als ohne dieses Schachzug. Dennoch verlor die CDU gegenüber 2014 3 Sitze  (-5,7 %) und muss sich mit 17 Mandaten nun neue Unterstützer suchen- dazu später mehr. DIE LINKE verlor zu den Kommunalwahlen deutlich und ist lediglich noch mit 5 statt bisher 9 Kreisräten (- 6,8%) vertreten. Auch SPD verlor Zuspruch bei den Wählern, statt 6 ist sie nun nur noch mit 4 Kreisräten präsent (- 3,9 %). Dagegen gelang der AfD mit ihrem ersten Antritt ein Paukenschlag. 2014 noch nicht, ist sie nun mit 9 Kreisräten (+ 20,4%) vertreten. Hier scheint die Erwartungshaltung der Wähler besonders hoch zu sein. Grüne und FDP konnten sich jeweils um einen Sitz auf 2 Kreistagsmandate verbessern, die IWA um einen Sitz auf nun 4. ProKommune-FWG verlor leicht, konnte aber mit neuen Spitzenbewerbern die bisherigen 2 Mandate halten. Dagegen verlor die BIZ einen Sitz, bleibt mit Sigmund Borek aber im Kreistag. Nicht mehr im neuen Kreistag vertreten ist die NPD.

Der Antrag der IWA, den Tagesordnungspunkt (TOP) 11 „Bestätigung der Mitglieder der Aufsichtsräte der Unternehmendes Landkreises Greiz“ mit Blick auf eine mögliche Neufassung der Geschäftsordnung zu vertagen, fand nicht die Mehrheit der Stimmen. Somit blieb dieser Punkt (wie auch TOP 12 „Wahl der Verwaltungsratsmitglieder für die Sparkasse Gera-Greiz“) auf der Tagesordnung.

Ökumenische Andacht, Verpflichtung per Handschlag und Fraktionsbildung waren die Startpunkte

Zu seiner ersten konstituierenden Sitzung traf sich der neue Kreistag am 2.7.2019  in der Aula des Ulf-Merbold-Gymnasiums (UMG) Greiz. Nicht auf der Tagesordnung vermerkt und somit für einige überraschend startete die konstituierende Sitzung (offenbar auf Einladung einer einzelnen Dame) mit einer ökumenischen Andacht. Superintendent Andreas Görbert für die evangelische Kirche und Pfarrer Thomas Mandler zelebrierten die Andacht, die nach Meinung der Atheisten sicher eher vor die Sitzung in einer Kirche besser aufgehoben gewesen wäre- zum Beispiel in der fußläufig erreichbaren katholischen Herz-Jesu-Gemeinde. Gleichwohl akzeptierten die nicht gläubigen Kreistagsmitglieder diesen Überraschungspunkt. Zum Gebet des Vaterunser erhoben sich alle Kreistagsmitglieder aus Respekt von ihren Sitzen. Ausgenommen die Linksfraktion, die diese Respektbezeugung verweigerte und geschlossen sitzen blieb.

Nach der Andacht verpflichtete Landrätin Martina Schweinsburg jedes einzelne Kreistagsmitglied per Handschlag. Im Gegensatz zur linken Oberbürgermeisterin in Eisenach (die NPD-Kreisräten – trotz anderslautendem OVG-Urteil – wie 2014 den gesetzlich vorgeschriebenen Handschlag verweigerte) nahm die Landrätin den Handschlag parteiübergreifend bei allen Kreistagsmitgliedern vor.

Anschließend gab die Landrätin die gemeldeten Fraktionsbildungen bekannt. Die 17-köpfige CDU- Fraktion wird geführt von Dr. Uli Schäfer (Stellvertreter: Heinz Klügel), die 9-köpftige AfD-Fraktion von Torsten Braun (Sigvald Hahn). Die IWA, Grüne und BIZ bilden wie seit 2014 weiterhin eine gemeinsame, nun 7-köpfige Fraktion, die von Jens Geißler (IWA) geführt wird. Seine Stellvertreterin ist Doris Smiskol (B90/ Grüne). Die 5-köpfige Fraktion der Partei DIE LINKE wird geführt von Andrea Jarling (Sven Weber). Die 4-köpfige SPD-Fraktion wird von Gerd Grüner als Fraktionschef geführt. FDP und Prokommune- FWG (ProKom-FWG) haben sich zu einer 4-köpfigen Fraktion zusammengeschlossen, die von Dirk Bergner (Andreas Weber) geführt wird.

Zugleich gab die Landrätin bekannt, dass die Fraktionen von SPD und FDP/ ProKom-FWG die Bildung einer sogenannten „Ausschussgemeinschaft“ angezeigt hatten. Hier ging es darum, die eigenen Chancen bei der Besetzung von Ausschüssen (speziell bei der Bruchteilsberechnung nach dem Verfahren Hare-Niemeyer) zu verbessern. Dies wirkte sich deutlich zum Nachteil der Fraktion DIE LINKE aus. Sie zog später in keinen einzigen Ausschuss ein.

Wahl Kreistagsvorsitzender und Beigeordnete mit kleiner Überraschung

Die nächsten Tagesordnungspunkte 2 und 3 waren die geheimen Wahlen des Kreistagvorsitzenden (inklusive Stellvertreter) sowie der ehrenamtlichen 1. und 2. Beigeordneten, an der alle 45 Kreistagsmitglieder plus Landrätin als Stimmberechtigte teilnahmen. Als Kreistagsvorsitzender war erneut Dr. Andreas Hemmann (SPD) vorgeschlagen, der mit 35 Ja-Stimmen bei 11 Nein-Stimmen gewählt wurde und die Wahl annahm. Ab diesem Zeitpunkt übernahm er die Leitung der Kreistagssitzung. Erster Stellvertreter wurde Kai Dittmann (CDU) mit 36 Ja-Stimmen bei 10 Nein-Stimmen. Bei der Wahl zum 2. Stellvertreter setzte sich (bei vier ungültigen Stimmen) überraschend Torsten Braun (AfD) mit 31 Ja- Stimmen gegen Diana Skibbe von DIE LINKE (11 Ja-Stimmen) durch.

Zur Wahl des 1. Ehrenamtlichen Beigeordneten wurde von der CDU-Fraktion nicht mehr wie bisher Heinz Klügel, sondern Kai Dittmann vorgeschlagen. Er wurde in geheimer Wahl mit 34 Ja- Stimmen und 12 Nein-Stimmen als 1. Beigeordneter gewählt.  Bei einer ungültigen Stimme gewann die Wahl zum 2. Beigeordneten Gerd Grüner (SPD) mit 31 Ja-Stimmen gegen Nils Hammerschmidt (IWA-Grüne-BIZ) mit 14 Ja-Stimmen. Andrea Jarling (DIE LINKE) hatte zuvor ihre avisierte Kandidatur zurückgezogen.

In weiteren sechs Wahlgängen wurden die Vertreter des Kreistages für Gremien diverser Einrichtungen (Landkreistag, Regionale Planungsgemeinschaft Ostthüringen, Kreis-Kultur- und Sport-Stiftung, Abfallwirtschaftszweckverband Ostthüringen, Rettungsdienstzweckverband Ostthüringen, Vereinsvorstand Vogtland-Philharmonie) gewählt. Auch hier dominierten die Vertreter der CDU, die Partei DIE LINKE hatten dabei jeweils das Nachsehen und ist in keinem der Gremien vertreten, Hier stellt sich die Frage: Sollen Ausschuss- und Zählgemeinschaften Machterhalt sichern statt den Wählerwillen widerzuspiegeln?

Besetzung der Ausschüsse – wegen Ausschussgemeinschaft ist DIE LINKE in keinem Ausschuss vertreten

Bei der Besetzung der Ausschüsse wies Kreistagsvorsitzender Dr. Hemmann explizit darauf hin, dass für den Kreistag bei seiner Beschlussfassung respektive Bestätigung gemäß § 105 Absatz 2 i.V.m. §27 Absatz 2 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) die Vorschläge der Fraktionen bindend sind. Die CDU hat jeweils zwei Ausschusssitze (hinzu kommt die Stimme der Landrätin), die restlichen Fraktionen einen (wobei aufgrund der oben beschrieben Ausschussgemeinschaft DIE LINKE letztlich völlig leer ausging). Mit jeweils 41 Ja-Stimmen (bei fünf Enthaltungen seitens DIE LINKE) wurde folgende Besetzung der sogenannten beschließenden Ausschüsse beschlossen:

Kreis- und Finanzausschuss: Kai Dittmann (CDU, Stellvertreter: Heinz Klügel), Gerhard Helmert (CDU, Michael Täubert), Torsten Braun (AfD, Sigvald Hahn); Gerd Grüner (SPD/Pro Kommune/FWG/FDP, Jens Meyer), Nils Hammerschmidt (IWA/BIZ/Grüne, Jens Geißler).

Bau- und Vergabeausschuss: Heinz Klügel (CDU, Gunnar Raffke), Ullrich Zschegner (CDU, Michael Täubert); Holger Franz (AFD, Torsten Röder); Andreas Weber (SPD/Pro Kommune/FWG/FDP, Andreas Hemmann), Petra Pampel (IWA/BIZ/Grüne, Andreas Staps).

Ausschuss für Schule, Kultur und Sport: Jens Dietzsch (CDU, Christian Tischner), Annerose Barnikow (CDU, Krimhild Leutloff), Ingo Kolbe (AfD, Andreas Stiller), Stephan Marek (SPD/Pro Kommune/FWG/FDP, Dirk Bergner), : Doris Smieskol (IWA/BIZ/Grüne, Andreas Staps).

Ausschuss für Soziales und Gesundheit: Volker Taubert (CDU, Volkmar Vogel), Annerose Barnikow (CDU Christian Tischner), Isabelle Peschel (AfD, Dr. Robby Schlund), Heike Taubert (SPD/Pro Kommune/FWG/FDP, Andreas Weber), Doris Smieskol (IWA/BIZ/Grüne, Andy Riedel).

Werkausschuss der Kreisstraßenmeisterei: Gerhard Helmert (CDU, Volker Emde), Ullrich Zschegner (CDU, Wolfram Köber), Thomas Trommer (AfD, Andreas Stiller), Dirk Bergner (SPD/Pro Kommune/FWG/FDP, Andreas Hemmann),  Siegmund Borek (IWA/BIZ/Grüne, Andreas Staps).

Als sogenannte vorberatende Ausschüsse wurden zudem besetzt:

Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr: Michael Täubert (CDU, Volker Emde), Dietrich Heiland (CDU, Ullrich Zschegner), Torsten Röder (AfD, Holger Franz), Dr. Andreas Hemmann (SPD/Pro Kommune/FWG/FDP, Udo Geldner), Nils Hammerschmidt (IWA/BIZ/Grüne, Andy Riedel).

Rechnungsprüfungsausschuss: Volkmar Vogel (CDU, Ullrich Zschegner), Gunnar Raffke (CDU, Thilo Fraatz), Sigvald Hahn (AfD, Torsten Braun), Jens Meyer (SPD/Pro Kommune/FWG/FDP, Gerd Grüner), Petra Pampel (IWA/BIZ/Grüne, Jens Geißler).

Wahl der Aufsichtsgremien ohne Überraschungen, Genehmigung Beschlussprotokoll vom 26.2.2019 bloße Formsache

Auch die Wahl weiterer Aufsichtsgremien verlief ohne Überraschungen, die CDU dominierte auch hier. Angesichts der Vorkommnisse in der PRG GmbH und inzwischen offenkundiger wirtschaftlicher und personalpolitischer Fehlentscheidungen in der Kreiskrankenhaus Greiz GmbH wird es spannend werden, ob und ggf. wie die (nur zum Teil neuen) Aufsichtsräte auf Fehlentwicklungen reagieren. Bisher scheinen den meisten kommunalen Aufsichtsräten die damit verbundenen Haftungsrisiken nicht wirklich klar zu sein. Ein Aufsichtsrat ist keine Spaßveranstaltung, für das man nebenher eine Vergütung bekommt. Sondern die Vergütung gibt es, weil es ein sehr verantwortungsvolles Amt ist. Die kreiseígenen Unternehmen können also nicht im „laissez faire Führungsstil“ sich selbst überlassen werden. Sondern zum Schutz des Steuerzahlers ist hier ein kritischer Blick der Aufsichtsräte mehr als bisher notwendig.

Die Genehmigung des Beschlussprotokoll vom 26.2.2019 war letztlich eine bloße Formsache, bei der sich die meisten der neuen Kreisräte der Stimme enthielten. Nun beginnt die eigentliche politische Arbeit, die primär in den Ausschüssen stattfindet. Hier wird sich zeigen, ob der neue Kreistag in der Lage ist, sachpolitische Entscheidung für die Bürger statt nach dem Parteibuch zu entscheiden. Die Wählerinnen und Wähler werden dies sicher aufmerksam verfolgen. Denn nach der Wahl ist vor der Wahl – die nächste Landtagswahl im Oktober ist näher, als man denkt.

@2.7.2019/trö