Heike Taubert und Jakob von Weizsäcker bei Prominente im GesprächBlumen für Heike Taubert und Jakob von Weizsäcker (l.) am Ende einer interessanten Veranstaltung.

Politiker sprechen im Weißen Saal des Unteren Schlosses Greiz zum Thema „Was ist uns Europa wert?“
GREIZ. „Wie viele Kriege mussten geführt, wie viele Bündnisse geknüpft, zerrissen und aufs neue geknüpft werden, um endlich Europa zu dem Friedensgrundsatz zu bringen, welcher allein den Staaten wie den Bürgern vergönnt, ihre Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten, und ihre Kräfte zu einem verständigen Zwecke zu versammeln?“ Besser als mit dieser Passage aus der Akademischen Antrittsrede von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1789 hätte Jakob von Weizsäcker die Thematik „Was ist uns Europa wert?“ nicht auf den Punkt bringen können.
Am Mittwochabend hatte Harald Seidel den Wirtschaftwissenschaftler und Thüringer SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahlen am 25. Mai und Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD) in den Weißen Saal des Unteren Schlosses eingeladen.
Nach Meinung von Jakob Weizsäcker war die Geburtsstunde eines vereinten Europas der 9. Mai 1950, als der französische Außenminister Robert Schuman die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vorschlug. Seitdem habe sich ein „phänomenal erfolgreiches Friedens-und Demokratieprojekt“ entwickelt. Dabei stellte der Politiker die herausragenden Vorteile der EU heraus, ohne allerdings die derzeitigen Schwierigkeiten zu verschweigen. So könne die gemeinsame Währung durchaus Nachteile haben, wenn man beispielsweise an Spanien denkt. Da habe die „Immobilienblase“ vorgespielt, die spanische Wirtschaft sei stabil – bis diese Spekulation platzte. Oder Griechenland – das geplante Defizit habe in den vergangenen Jahren oft nahe den erlaubten drei Prozent des Bruttoinlandproduktes gelegen; am Ende des Haushaltsjahres stellte sich allerdings heraus, dass das tatsächliche Defizit viel größer war. Daher würden viele Menschen der Frage nachgehen, warum die Staaten der Euro-Zone in Zukunft nachhaltig wirtschaften sollten, wenn der „Rest“ der Euroländer sie am Ende doch auffängt. Jetzt gehe es vor allem darum, den Stabilitäts- und Wachstumspakt wieder glaubwürdig zu machen, betonte Jakob von Weizsäcker. Dabei verschwieg er auch nicht, dass sich die EU in einer schweren Krise befindet. Die Arbeitslosigkeit vor allem bei Jugendlichen erreiche in einigen Ländern – etwa in Spanien – Werte bis 25 Prozent. Faire Löhne und eine stabile Währung seien Schwerpunkte, die es nun mit Nachhaltigkeit zu sichern gelte. Was man vor allem in Europa brauche, sei eine „echte Bankenunion“, damit in Zukunft solche schlimmen Bankenkrisen vermieden werden und die Steuerzahler nicht wieder zum Zahlmeister der Finanz-Spekulanten werden. Getrieben durch die „Erfordernisse“, die im Jahr 1992 im Maastrichter Vertrag festgelegt wurden, müsse man sich nun „zusammenraufen“. Was aber, wenn das schief ginge? Da könne man entweder „reparieren“ oder „re-nationalisieren“, so von Weizsäcker. Doch sei letzteres keine Lösung, unterstrich der Wirtschaftsexperte. Als einzelnes Land habe man keine Möglichkeit zu bestehen. Europa sei nicht nur ein gemeinsames Wirtschafts-und Friedensprojekt, sondern auch eine handlungsfähige Gemeinschaft, die die Chance, weltweite Spielregeln zu beeinflussen, nicht vertun dürfe.
Von den Europa-Wahlen am 25. Mai erhofft sich Jakob von Weizsäcker eine „Demokratieschub“. Vor allem, wenn Martin Schulz Präsident der Europäischen Kommission würde.
Das unterstrich auch Sozialministerin Heike Taubert: Weniger Europa wäre mehr, würden viele Europa-skeptische Menschen denken. Zwar freue man sich über Fördermittel aus Brüssel; doch jenes Europa, das dieses Geld bereit stelle, sei oft noch unbekannt. Vorurteile würden oft das Miteinander belasten, doch „Die Menschen haben sich verändert, sie wollen alle ihr ‚kleines Glück‘“, wie Heike Taubert unterstrich.
Auf die aktuelle Lage in der Ukraine eingehend, unterstrich sie die Wichtigkeit einer „diplomatischen Lösung“. Den Ostdeutschen würde gern eine gewisse Affinität zu Russland nachgesagt, was aber so nicht stimme. „Die Menschen hier können nur zu
gut nachvollziehen, wie man sich fühlt, Spielball der Politik zu sein.“ Die Ministerin sprach sich dafür aus, dass die Ukraine die Möglichkeit erhält, keinem militärischen Block anzugehören,
neutral bleiben zu dürfen und als Föderation Bürgern eine Heimat bieten können. „Wir sollten fröhlich an Europa denken“, so Heike Taubert. Und mit allen Ländern auf Augenhöhe arbeiten, die Deutschland nach dem 2. Weltkrieg eine Chance gaben. Sie forderte auf, am 25. Mai zur Europa-Wahl zu gehen. Die Wahl von Martin Schulz sei zudem eine „einmalige Chance“ für Deutschland.
Der interessante Abend wurde von Kantor Ralf Stiller (Klavier) und Stavenhagenpreisträgerin Friederike Heckmann (Querflöte)virtuos musikalisch gestaltet. Als Duo brachten sie unter anderem eine Sonate in G-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach zu Gehör.

Antje-Gesine Marsch @25.04.2014