Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, den bayrischen Liedermacher Hans Söllner

Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, den bayrischen Liedermacher Hans Söllner
MdB Frank Tempel (Die Linke) (l.) im Gespräch mit dem bayrischen Liedermacher Hans Söllner bei den Geraer Songtagen.
Foto: Dirk Anhalt
GERA. Am 15. März 2013 traf Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, den bayrischen Liedermacher Hans Söllner, um mit Ihm über die Entkriminalisierung und Legalisierung von Drogen, insbesondere Cannabis, zu sprechen. Hier können Sie das vollständige Interview lesen. Den Videomitschnitt finden Sie bei Youtube.

FRANK TEMPEL: Hans Söllner, bekannter Liedermacher, immer wieder auch mit provozierenden Texten und dem Thema Marihuana. Marihuanalegalisierung spielt immer wieder eine Rolle und wird diskutiert. Du bist tief im katholischen Bayern aufgewachsen, fühlst dich aber der Rastafaribewegung zugehörig. Was hat dich dazu bewegt? €€¦

HANS SÖLLNER: Na ja, es ist jetzt schon eine Zeit lang her mit dem Rastafari. Es ist ein Anfangsprodukt von Reggae und Bob Marley. Dann ist das Anfangsprodukt von dem Ganzen, dass du dir Dreadlocks wachsen lässt und dass du Rasta wirst und dass du nach Jamaika fliegst und dass du ein bisschen kiffst oder ein bisschen rauchst oder so. Aber wenn du dich ein bisschen erkundigst wer der Rastafari war und wer der Heile Selassi war, dann muss man sich von der ganzen Sache ein bisschen distanzieren, vor allem ist, es eine genauso frauenfeindliche Religion wie die Katholiken. Ich sag nicht, dass ich ein Rasta bin, ich sag im Großen und Ganzen bin ich ein Christ. Es ist keine Religion, das Christentum ist Christentum, aber es hat nichts mit Religion zu tun. Christus hat es gegeben, und ich weiß nicht, ob es einen Gott gegeben hat und einen Rastafari hat es auch gegeben, das war für mich, nach dem, was ich für Erkundigungen eingezogen habe, eher ein Massenmörder als einer, der für sein Land wirklich gesorgt hat, und darum habe ich mich ein bisschen von ihm distanziert. Das heißt aber nicht, dass ich mich von den guten Sachen aller Religionen auf dieser Welt distanziert habe, ich hab halt meine Religion daraus gemacht aus den guten Sachen, von allem ein bisschen etwas raus zu nehmen, weil ich einfach nicht glaube, dass eine Religion die Weisheit mit Löffeln gefressen hat und weiß, was die Menschen brauchen und was die Menschen Kinder, Frauen und Männer wollen, ich glaub das einfach nicht. Also die Weltreligion, die ich anbete, ist eigentlich das Leben selbst und nicht irgendwer, der mir mit einem Talar oder mit einem Tuch oder mit einem Turban vorangeht und mir sagt, wie wir was machen, wie wir beten müssen, das ist mir einfach zu blöd, das ist mir einfach zu kindisch und zu dumm. Also ich sag mal, nicht überheblich, da bin ich auch einfach zu erwachsen und zu alt, als dass ich auf den Scheiß reinfalle.

FRANK TEMPEL: Also das Gute mitnehmen, aber dem Anderen kritisch gegenüberstehen.

HANS SÖLLNER: Es gibt eh schon so viel schlechte Sachen, da muss ich nicht auch noch von den Religionen das Schlechte mitnehmen. Also mit Beschneidung und diesem ganzen Quatsch, den sie da drauf haben, was sie glauben, was ihr Gott braucht oder die Götter brauchen, das ist einfach nicht meins.

FRANK TEMPEL: Aber in den Texten taucht immer mal auch Marihuana auf. Deine ersten Kontakte mit Cannabis, wie waren die denn?

HANS SÖLLNER: Also meine ersten Kontakte habe ich sehr spät gemacht, das muss ich wirklich sagen, und ich glaube, dass das vielleicht auch mein Glück war, ich habe meine ersten Kontakte mit Marihuana mit 26 gemacht und mit Alkohol erst mit 44, also es ist so, dass ich, obwohl ich aus einer Alkohol traumatisierten Familie komme, war das für mich wahrscheinlich so abschreckend als Kind, wie mein Vater und meine Brüder so viel Alkohol konsumiert haben, dass ich das sehr lange, wie sagt man, verweigert habe, da mitzumachen. Ich bin mit 26 auf Marihuana gekommen, eben durch Bob Marley und über Rasta und über Reggae und über Jamaika und ich glaube, dass das ein guter Zeitpunkt wäre, sage ich vom Alter her, es zu legalisieren, weil ich glaube, dass du fertig bist, du hast einen Job, du hast eine Familie vielleicht, du weißt einfach, was du willst, und du weißt, was du nicht willst, das ist eigentlich beim Drogenkonsum sehr wichtig, dass du weißt, was du willst und was du nicht willst, vor allem, was du nicht willst. Keiner will süchtig werden, keinem macht es Spaß, wenn er irgendwo mit einer Nadel in der Unterführung sitzt, niemandem macht es Spaß, niemand macht es mit dem Hintergrund, ich mag jetzt süchtig werden und mag Autos aufbrechen, niemand tut das, verstehst du, darum bin ich auch für die Legalisierung und die Entkriminalisierung. Ich glaube, wenn jemand Probleme hat mit Drogen, dann braucht er nicht auch noch Probleme mit der Polizei und der Staatsanwaltschaft, mit dem Vormundschaftsgericht, mit weiß ich nicht, irgendwelchen Sachen, die dann daher kommen und dir deine Existenz und deine Zeit nehmen, wirklich sich um sich selbst zu kümmern. Also ich bin mit 26 irgendwie in diese Szene eingestiegen, wobei ich jetzt nicht sagen kann, dass ich irgendwann in der Szene war, ich habe das nicht gebraucht, ich habe keinen Freundeskreis gehabt, ich habe keine Kiffer gekannt in dem Sinne, das war halt so mein Ding. Ich hab das halt so angefangen und hab das irgendwann einmal von irgendwem gekriegt und hab das dann geraucht und das hat mir irgendwie gut getan und ich hab gemerkt, dass das etwas ist, was ich vertreten kann, weil ich habe am nächsten Tag keinen Kopf gehabt, ich kann arbeiten, ich bin fit, ich kann mich unterhalten, ich sabbere nicht rum und kotz in die Ecke und piss mir in die Hosen oder irgend so ein Scheiß, was halt passiert, wenn du stark unter Alkohol stehst oder unter anderen Drogen irgendwie, das war halt so meins. Ich habe das zu meinem Ding gemacht irgendwie, weil ich glaube, dass das einfach nicht zeitgemäß ist, überhaupt irgendwie etwas zu verbieten. In der Zeit, wo sechsjährige Kinder mit Ritalin vollgepumpt werden, es ist nicht zeitgemäß, 36- oder 46- oder 56-jährigen Männern und Frauen Marihuana zu verbieten, es ist einfach ein alberner Scheiß, es geht um Geld, es geht um Diskriminierung, Verfolgung, es geht darum, dass sie ihr System durchdrücken, es geht nicht um Freiheit, es geht nicht um meine Gesundheit, wenn es wirklich um meine Gesundheit gehen würde, dann wären alle Häuser in Deutschland mit Solaranlagen bestückt und es gäbe kein Heizöl mehr, wenn es um meine Gesundheit gehen würde, das weiß ich, aber das gibt es ja leider noch.

FRANK TEMPEL: Das Verbot wird ja begründet damit, dass man dadurch einen gewissen Anteil Menschen abhalten will Cannabis zu konsumieren. Bei dem ersten Einstieg dann mit 26, hat da die Überlegung eine Rolle gespielt, dass es verboten ist im Freundeskreis irgendwie, ist das Verbot diskutiert worden?

HANS SÖLLNER: Es ist bei uns so, ich sag mal 26, das ist 30 Jahre her, da hat sich keiner drum gekümmert, ganz ehrlich. Es ist erst, sag ich mal, Anfang der 90er ein echtes Thema geworden bei uns in Deutschland, dieses Cannabis, das ist die Partydroge für irgendwelche Jugendliche oder Kinder gewesen und dann haben sie versucht, das irgendwie einzudämmen. Zu meiner Zeit, ich sag mal Ende der 70er, Anfang der 80er, Mitte der 80er, war das überhaupt kein Thema, wir haben da einfach geraucht, wir haben da gesessen, das war noch nicht so wie jetzt, wenn du jetzt mit 4 – 5 Leuten in einem Stadtpark sitzt und jeder eine Flasche Bier hat, kommt die Polizei und treibt die Leute auseinander, das war bei uns einfach nicht so. Wir sind ein Überwachungsstaat, ich darf das jetzt so sagen, die DDR hat sich nicht aufgelöst, die DDR ist größer geworden, wir sind ein absoluter Überwachungsstaat, wir werden kontrolliert, jeder hat ein Handy, jeder weiß, wo jeder ist, jeder kann jeden zu jeder Tages und Nachtzeit erreichen. Das war überhaupt kein Thema für uns. Wir haben uns getroffen, wir haben uns verabredet und wenn wir nicht gekommen sind, haben wir ärger bekommen und irgendjemand war sauer und keiner hat irgendwie angerufen im Stadtpark: Du, ich komme ne Stunde später, tut mir leid, ich habe keine Zeit. Das war eine andere Zeit. Das muss man wirklich sagen. Mitte der 80er sag ich mal, hat es so ausgesehen, als würde es gut werden. Also ich kann mich noch erinnern, dass Anfang der 80er, 1982, wo ich meine Lehre angefangen habe, irgendwie als Mechaniker, da hab ich das Gefühl gehabt, es wird alles gut, es wird irgendwie, weiß ich nicht, es waren gute Konzerte, es war einfach eine gute Zeit, es war ein guter Sommer, es waren gute Leute unterwegs oder so und dann sag ich immer so spaßig, dann ist Red Bull gekommen und der Steven Jobs. Und dann war es vorbei, dann war es einfach vorbei und du wirst es nicht mehr aufhalten können. Also wenn du vorhast, es aufzuhalten, es wird dir nicht gelingen, weil die Leute einfach nicht mehr daran Anteil nehmen, sie haben keine Zeit mehr und sie haben alle den Blick nicht mehr dafür. 60 % der Menschen rasen oder gehen so durch die Gegend, schauen auf ihr Handy oder auf ein Display oder auf irgendein I-Pad oder irgendwas. 60 % der Menschen schauen sich nicht mehr in die Augen, 60 % der Menschen, weiß ich nicht, schauen sich Pornos an, bevor sie irgendwelche Frauen kennenlernen und Elfjährige wissen schon mehr über Sexualität als ich gewusst habe mit 28. Also, das ist nicht die richtige Zeit, darum glaube ich auch nicht, dass es legalisiert wird, es wäre gut, wenn sie es machen könnten, aber ich glaube nicht, dass es legalisiert wird. Ich glaub, dass sie einfach durch dieses Problem, das sie haben mit Drogen, mit Jugendlichen, einfach von den Hauptproblemen ablenken und das Hauptproblem, das sag ich ganz banal, das ist das, was da draußen stattfindet, das ist nicht Leben, das ist traumatisch und eigentlich auch ganz schlimm, weil unsere Kinder nichts mehr mitkriegen von Freundschaft, von sozialen Kontakten, von irgendwelchen Sachen. Sie verlieben sich nicht mehr, die ficken irgendwo auf Partys rum oder auf Mallorca, beim Ballermann oder so, die gehen nicht mehr Händchen haltend, ich hör die Jungs da draußen reden und die Mädchen, dann weiß ich, was da abläuft, und das ist eigentlich das Traurige. Eigentlich ist das schade, aber es ist die Zeit und auch diese Zeit wird an uns vorüber gehen, vielleicht nicht spurlos, aber sie wird vorüber gehen und irgendwann einmal haben die Menschen wieder andere Werte.

FRANK TEMPEL: Verbot von Cannabis, Schutz der Bevölkerung, Schutz von Kindern und Jugend oder eher Repressalie?

HANS SÖLLNER: Ich als Vater von sechs Kindern würde mal sagen, und ich habe das bei mir ganz locker gehandhabt und ganz easy. 14-, 15-, 16-, 17-Jährigen würde es schaden, wenn sie es einfach nur konsumieren könnten. Also, ich sage mal, zu dieser Legalisierung gehört natürlich auch dazu, dass es im eigenen Land angebaut wird, dass ich nicht den Dreck aus Holland kaufen muss, diesen Scheißdreck, der mir wirklich die Rübe ausbrennt, da, wo ich wirklich zu nichts mehr fähig bin, wo mir das Gesicht runter fällt, die Gesichtszüge entgleisen, dann sitz ich so da, eine Stunde oder zwei, das ist nicht das, was ich meine, ich rede jetzt nicht von dem Gras, das ist ein Scheißdreck, warum das bei uns verkauft werden kann ist, weil es bei uns nicht legal ist. Wenn ich mir meine drei Pflanzen im Garten anbauen kann, dann brauch ich auch keinen Dealer, das ist die Voraussetzung. Die Voraussetzung zur Legalisierung ist, dass es mir erlaubt wird, mein Zeug in meinem Garten zu haben, nicht in einem Keller, alles mit Substraten und mit irgendwelchen blöden Scheißdingern, Großzüchtungen, in meinem Garten, drei Pflanzen und wenn es zwei Männchen sind, dann hab ich halt Pech gehabt, dann pflanze ich vielleicht nächstes Jahr fünf und dann hab ich zwei Weibchen, das ist so mein Plan von Legalisierung. Das würde vielleicht funktionieren, weil wir dann nicht mehr darauf angewiesen wären, dass wir diesen Scheißdreck aus Holland kaufen, der im Grunde genommen ganz Europa überschwemmt.

FRANK TEMPEL: Also eine Produktkontrolle durch Legalisierung?

HANS SÖLLNER: Auf jeden Fall wie beim Alkohol, da kannst du ja auch nicht irgendwie gepanschten Scheißdreck oder gepanschtes Olivenöl oder irgendwas nehmen. Alles ist einer Kontrolle unterlegen und bei dieser Sache lege ich sogar sehr großen Wert darauf, dass das jetzt nicht so hochprozentig ist mit 14 oder 15 %, dass eine alte deutsche Sorte, weiß ich nicht, sechs oder sieben Prozent hat.
Ich rauch das seit 30 Jahren und es tut mir gut und ich habe nicht das Gefühl, mir raucht die Birne und ich sitz da und bin nicht mehr ansprechbar und das ist dass, was ich gerne hätte. Also wenn man mich fragen würde, wie man die Legalisierung durchdrücken könnte, pass auf, wir machen einfach Fachgeschäfte. In jeder Stadt gibt es zwei oder drei Fachgeschäfte, nicht so diese Headshops. Das ist kein Fachgeschäft, der macht mit Drogenabhängigen seine Kohle. €€¦
Das kriegst du nur in diesem Geschäft, da kannst du auch deine Adresse und deinen Pass hinlegen und sagen, ich bin der Hans, ich wohn da, ich habe ein Party und brauche mal 3 Gramm oder 5 Gramm. Was hast du da? Das ist so mein Plan für die Legalisierung und nicht irgendein Scheiß, dass wieder irgendjemand im Keller irgendwas verkauft und irgendwas, wo ich nicht weiß, wo das herkommt. Und dann ist natürlich automatisch die Erlaubnis dabei, dass ich selber anbauen darf und wenn ich im größeren Stil anbaue, dann muss ich es versteuern, weil es dann der Staat nicht mehr kontrolliert und der Staat dann nichts mehr damit verdient. Wie wenn ich ein Bier braue oder einen Schnaps brenne, ab einem gewissen Maß soll der Staat verdienen. Ich will nur meine Ruhe haben, ich will sonst nichts. Ich will nicht verfolgt werden, keine Hausdurchsuchung. Ich mag nicht um zehn in der Nacht, dass es klingelt, zwei Schäferhunde kommen in meine Bude. Ich mag nicht in Handschellen in irgendeinem Wagen weggefahren werden, meine Frau weint, meine Kinder schreien. Das alles möchte ich nicht. Ich möchte, wenn sie sagen, ihr dürft drei Pflanzen haben. Ich verspreche euch, ich habe nie mehr als drei Pflanzen, das würde mir reichen. Das ist so der Plan von mir.

FRANK TEMPEL: Kontrolliertes Angebot wäre ein besserer Jugendschutz als der Schwarzmarkt?

HANS SÖLLNER: Auf jeden Fall, das musst du, sonst kommt so ein Scheißdreck rein wie aus Holland, der mit Bleistaub oder mit irgendwas mit Leim und mit Seil und mit Zucker gestreckt ist, damit es schwerer wird. Das ist nicht meins. Mein Plan von Droge ist der von der sauberen Droge. Wenn überhaupt Drogen, dann nicht irgendetwas gepanschtes oder irgendein Scheißdreck, sondern das Beste vom Besten, weil das immer das Beste ist. Ich probiere das manchmal, es riecht schon nach Holland. Wenn die Tüte aufgeht, rieche ich schon Holland und wenn du meinen Sack aufmachst, dann sagst du, das riecht gut, aber das riecht halt nicht nach Holland, das ist halt meins.

FRANK TEMPEL: Im Jahr 2000 hast du das Thema beim Bundesverfassungsgericht mit Glaubensfreiheit in Verbindung gebracht, spielt das noch eine Rolle in den Überlegungen?

HANS SÖLLNER: Nein eigentlich nicht mehr, weil ich mir jetzt einfach gefühlsmäßig sage, wie kann ich von einem System erwarten, dass es sich auf meine Seite schlägt, wenn es damit Geld verdient, eben nicht auf meiner Seite zu sein. Das ist ja so als wenn ich Vegetarier bin und dann hoffe, dass ein Metzger mit mir auf einer Demonstration durch die Stadt geht oder eine Fahne hochhebt und sagt, ich bin für den Anbau von Getreide. Sie haben es dann abgewiesen, weil sie gesagt haben, ja, die Juden dürfen auch in unserem Land nicht schächten oder irgend so ein Scheiß. Sie dürfen das jetzt mittlerweile. Übrigens in unseren Schlachthöfen gibt es auch Abteilungen, da dürfen die Juden eben ihre Tiere schächten, weil die das koschere Fleisch nur essen können und damals war das halt nicht so. Außerdem hat Berlin zu mir gesagt, was tun sie hier wegen fünf Pflanzen – ich bitte Sie. Da habe ich erklären müssen, dass ich aus Bayern komme und bei uns sind fünf Pflanzen praktisch eine Plantage. Dann haben sie gelacht. Am selben Abend bin ich nach Hause gekommen und habe eine Hausdurchsuchung gehabt.
Legalisierung ist wie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Legalisierung ist Legalisierung. Da gibt es keine Gesetze mehr zur Legalisierung. Da gibt es nicht eins. Das müssen wir noch beachten. Dass das ist, als wenn ich ein Einkommen bekomme, ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1.000 Euro, dann braucht mir aber keiner vorzuschreiben, davon musst du aber bezahlen, 200 €‚¬ für deine Rente auf die Seite tun und 50 Euro für nix. Das ist ein bedingungsloses. Das kann ich versaufen in drei Tagen. Dann habe ich halt 28 Tage nichts mehr und das ist bei der Legalisierung dasselbe. Ich lasse mich auf keinen Deal ein mit denen. Ich kenne die Deals von Stuttgart 21 und ich kenne die Deals von irgendwelchen Autobahnen durchs Isental. Ich kenne ihre scheiß Deals. Die scheiß Deals sind immer die, die für sie gut sind und nicht für mich und darum sage ich mir, ist eh wurscht, ich rauche es sowieso.
Ich habe einen Freund dabei, der ist aus meiner Nachbarschaft, der hat nix zu tun, der nimmt sich Urlaub, der fährt mich in der Gegend rum, der bekommt 50 Euro. Da sag ich, fahr mich, ich kann rauchen und ich habe meine Ruhe. Aber es wäre natürlich gut, wenn das nicht so sein müsste und dass man dann sagt, ok, man kann das eh nicht kontrollieren, denn wenn du ein Dauerkiffer bist oder dauernd rauchst, bist du ja immer positiv. Also sie werden sich dann auch irgendwie was überlegen müssen, wenn du unter Drogen oder positiv Auto fährst. Also ich rauche drei Tage nichts. Dann bin ich immer noch positiv und mir kann eben keiner erzählen, dass ich einen Flashback gehabt habe. In 30 Jahren Drogenkonsum habe ich keinen einzigen Flashback gehabt. Also mir braucht keiner was erzählen. Das mag schon sein bei dem Zeug, was aus Holland kommt, was dann wirklich deine Rübe kaputt macht, dass dann irgendwann mal dein Gesicht runter fällt nach vierzehn Tagen, wenn du das dauernd konsumierst, dass du deinen Job hinschmeißt, das glaub ich einfach. Wenn ich das Zeug rauch, dann brauch ich kein Konzert mehr spielen. Wenn ich jetzt einen Joint rauche von dem Hollandgras mit 14 % oder was, dann brauch ich nicht mehr auf die Bühne gehen. Das ist vorbei, das ist einfach. Darum glaube ich, dass es eben gut wäre, wenn man es kontrolliert, wenn man sagt, ok, wir gehen bis 8 %, mehr gibt es nicht. Alles andere ist illegal, aber das dürft ihr haben.

FRANK TEMPEL: Die Gefährlichkeit kontrollieren durch kontrollierten Anbau?

HANS SÖLLNER: Genau, ihr dürft fünf Gramm immer dabei haben, auch im Auto, in der Hosentasche. Wenn man 20 Gramm dabei hat, gehen wir davon aus, dass ihr das Zeug verkauft. Dann müsst ihr dafür Steuern bezahlen, dann ist es Steuerhinterziehung, aber nicht illegaler Drogenkonsum oder irgend so was. Also du hast keine Vorstrafe, gar nichts. Ich möchte einfach nur meine Ruhe haben.

FRANK TEMPEL: Das ist ganz interessant, weil wir haben einen Antrag im Bundestag laufen, da steht das drinnen, dass dieses Cannabisclubmodel vorschlägt. Also man kann, weil nicht jeder, der arbeiten geht, hat die Möglichkeit, im Garten was anzubauen, kann sich in dem Club organisieren. Aber gut, die Parallele ist ja schon mal ganz spannend, aber wenn wir die Diskussion haben dann, du kommst viel durch die Lande mit deinen Konzerten, nicht alle Menschen in Deutschland denken ja so, in der Diskussion bei den Leuten draußen, in den Medien und auch im Bundestag hört man immer wieder, Cannabis Einstiegsdroge ganz gefährlich, macht ganz schnell abhängig. Wie kann man solchen Argumenten entgegentreten, was oder woran liegt, dass man Cannabis nach so vielen Jahren immer noch als Einstiegsdroge thematisiert?

HANS SÖLLNER: Definitiv weiß ich, dass man solchen Argumenten nicht entgegentreten kann definitiv. Wenn das einer glaubt, dann glaubt er das. Wenn einer glaubt, dass Geschlechtsverkehr mit vierzehn Jahren schlecht ist und dass man vom Onanieren blöd wird, dann glaubt er das. Das darf er glauben, soll er machen. Verdammte Scheiße, es ist sein Problem. Soll er erst mit zwanzig Jahren onanieren oder mit 36 Jahren Geschlechtsverkehr haben. Das ist sein Ding irgendwo. Aber er kann, das ist das, was ich meine, und das ist auch nicht demokratisch, das ist auch nicht weltoffen, er kann nicht verlangen, dass 80 Mio. so denken wie er. Wenn er so denken mag und das machen mag, dann soll er es nicht machen. Das ist sein Problem. Wenn er seine Kinder in Handschellen in der Gegend herumführt, damit sie sich keinen Joint bauen können oder keine anderen Drogen nehmen, ist das sein Problem. Das darf er gerne. Natürlich kannst du immer wieder sagen: Einstiegsdroge – ja sicher, was ist eine Einstiegsdroge? Ich glaube, damit du später mal Cannabis rauchen kannst, rauchst du zuerst einmal zwei drei Jahre Zigaretten, damit das überhaupt runter geht. Also ich kann mich erinnern, wie ich mit Zigaretten angefangen habe. Das bekommst du gar nicht hinein. Wenn ich natürlich ein Raucher bin, dann ist fürs Rauchen die Einstiegsdroge auf jeden Fall die Zigarette und nicht Cannabis.

FRANK TEMPEL: Genau. Also vor dem Joint kommt die Zigarette?

HANS SÖLLNER: Ja, das brauch ich dem Typen aber nicht erklären, weil der sagt, ja, eine Zigarette ist aber keine Droge. Zigaretten rauchen ist ja legal, also ist es für ihn nicht die Einstiegsdroge. Es ist ja auch nicht Alkohol die Einstiegsdroge, weil das ist legal. Für ihn ist ja nur Droge, was er als illegal ansieht, also sprich, was nach dem Alkohol kommt, wenn es dir nicht mehr reicht Kokain oder was weiß ich stärkere Sachen. Ich kenne mich mit Alkohol nicht wirklich so gut aus. Ich bin der Meinung, dass man das Ganze entschärfen könnte und auch ganz viele Leute nicht weiter gehen würden als bis zu Cannabis, wenn es ihnen frei steht, es einfach zu benutzen, wann immer sie es wollen und sich auch kaufen können, wo immer sie es wollen und nicht beim Dealer der sagt: Hey schau, probiere mal das. Hast eine Party, da, ich geb dir noch zwei Pillen mit, ich geb dir das noch mit oder das noch mit, probiere das mal. Vielleicht taugt ja. dann bist du aufm Trip und dann bist du auf, was weiß ich. Ich kenne mich nicht aus. Ich hab nichts probiert großartig. Ich hab Marihuana mit 26 kennengelernt und bin seit 30 Jahren dabei. Das hat mir irgendwo immer für all das, was ich machen wollte, Lieder schreiben, faulenzen, Urlaub fahren, braun werden, hat mir das gereicht.

FRANK TEMPEL: So Mancher müsste dann sagen und der Kerl lebt immer noch, obwohl er Drogen nimmt?

HANS SÖLLNER: Ich habe natürlich mit Tabakrauchen aufgehört. Das war so mein ganz großes Problem. Ich habe nichts mit Alkohol zu tun gehabt. Mein wirklich großes Problem war Tabak. Ich habe jeden Tag zwei, drei Schachteln – bis 1999 habe ich 60, 70 Zigaretten – geraucht. Ich war echt ein richtiger Kettenraucher und dann habe ich halt 99 mit diesem Tabakrauchen aufgehört und mit dem Tabakrauchen habe ich eineinhalb Jahre gar nichts geraucht. Ich habe ja immer gemischt, wie es die meisten halt machen. Ein bisschen Tabak und dann zwei Paper zusammen und dann ein bisschen was rein bröseln, was natürlich auch damit zu tun hat, dass das Gramm 14 €‚¬ kostet. Wenn es legal ist, kostet das Gramm 3 €‚¬, dann kann ich mir dann schon einen Joint bauen aus Ghanja oder aus Hanf und nicht nur Tabak rein. Da habe ich dann gemerkt, als ich das im Griff gehabt habe, das Marihuana überhaupt nicht abhängig macht. Ich kann einen Joint rauchen, dann rauche ich sechs Wochen gar nicht und dann rauche ich drei Wochen durch, dann rauche ich ein halbes Jahr überhaupt nichts. Ich habe auf dieser Tour dreimal oder viermal was geraucht und habe seit Oktober letzten Jahres nichts geraucht. Es hat mich überhaupt nicht interessiert. Wenn du es so handhaben kannst. Es interessiert dich dann, wenn du Zigaretten rauchst, weil du komischerweise, wenn du Zigaretten rauchst, immer ein schlechtes Gewissen hast und dann bröselst du ein bisschen was rein und sagst, ja eigentlich rauche ich ja keine Zigarette, ich rauche ja einen Joint. Das ist diese Mentalität von den Rauchern, die nicht vom Tabak wegkommen und darum bröseln sie ein bisschen was rein und sagen: Ja ich rauche keinen Tabak, ich rauche ja einen Joint.
Ich kenn das. Ich habe das 30 Jahre mitgemacht. Ich habe 33 Jahre Nikotin geraucht und das muss ich sagen, da würde ich ganz stark dafür sorgen, dass Jugendliche nicht an Zigaretten kommen, egal wie. Soll die Schachtel 15 oder 20 €‚¬ kosten, ist mir scheißegal, dann sollen sie es sich klauen oder was auch immer, dass sie nicht an Zigaretten kommen, aber das ist das leichteste überhaupt, weil die liegt beim Papa und bei der Mama, dann nehme ich da eine raus. Es dauert drei Zigaretten, dann bist du abhängig vom Nikotin und das ist für mich die Einstiegsdroge schlechthin, für alles.
Einen Schnaps mit 12 oder 13 trinken, da tust du dich schwer, weil das brennt und das ist grausig. Aber Zigaretten, das ist einfach da draußen ganz normal. 12-jährige Mädels, bevor sie zwei Kilo Übergewicht haben, rauchen sie lieber. Das ist einfach so. Ich habe es nicht im Griff und sie haben es auch nicht im Griff und sie wollen es gar nicht im Griff haben, weil es ihr Geld ist, es ist ihr Geld. Je schlechter es da draußen aussieht auf den Straßen, umso besser geht es den Leuten, die dafür sorgen, dass es schlecht aussieht. Das ist der Plan. Ich kenne sonst keinen von ihren Plänen. Wenn es ihr Plan wäre, dass es uns gut geht, dann gäbe es keine Babyklappen, keine Abtreibungen, es gäbe keine alleinerziehenden Mütter, es gäbe keine Sozialhilfe. Das alles gäbe es nicht. Ich weiß es, sie könnten es in einem Monat abschaffen. In einem Monat, wenn sie sich einig sind. Aber sie sind sich einig: Ja, dann verdiene ich ja nichts, wenn ich die ganzen Süchtigen, die ganzen Leute, die ihre Frauen schlagen, die ihre Kinder verprügeln, die ganzen Erziehungsheime bist du bescheuert? Glück bringt denen kein Geld. Mord und Totschlag und Krieg bringt denen Geld und Waffenproduktionen und nicht Liebe und Zärtlichkeit und Schulungen in Anstand und Werte.

FRANK TEMPEL: Da hake ich mal rein. Wer hat denn am meisten davon, dass Cannabis verboten ist? Wer profitiert davon von dem Verbot?

HANS SÖLLNER: Ich sage jetzt mal ganz banal die Justiz, denn mein Bäcker hat ja nichts davon oder mein Metzger, wenn dann ist ja ein Richter da, ein Staatsanwalt, also Justiz ist für mich, Rechtsanwälte Staatsanwälte, das ganze Paket das man da hat. Polizei – das ist ja für mich so die Ausübende, wie sagt man €€¦

FRANK TEMPEL: die Exekutive?

HANS SÖLLNER: Die Exekutive, ja schönes Wort EXEKUTIVE. Ich glaube, die haben am meisten davon, also dieser ganze Apparat lebt davon, dass die Leute kriminell sind, dass sie Drogen nehmen, dass sie trinken, dass sie besoffen Auto fahren, dass sie schlagen, dass sie vergewaltigen, dass sie sexuell belästigen, dass sie mobben. Dieser ganze Apparat lebt davon. Wenn dieser Apparat dafür sorgen will, dass es den Leuten gut geht, sprich ganz früh damit anfangen, dass die Leute sich lieben dürfen, dass die Leute zärtlich sein dürfen, dass sie ein Zimmer bekommen, dass sie nicht ungewollt mit 15 schwanger werden, dass man ihnen einfach wirklich ein Programm vorlegt, das Leben heißt und nicht Zölibat und Entbehrung und erst mit 16 oder mit 19 oder mit 30 oder mit 50 oder irgend so was, sondern wenn man sie einfach frei lässt. Frei! Frei! Sie wachsen frei auf. Wann immer sie zu irgendetwas Lust haben, brauchen sie nicht fragen. Sie dürfen es einfach tun. Dann glaube ich, ist es sofort vorbei, dann gibt es keine Justiz mehr, weil, um was will sie sich dann noch kümmern? Die Leute sind glücklich, die Leute sind befriedigt, die Leute sind sexuell ausgeglichen, die Leute sind verliebt.
Ganz banal ist das eigentlich. Das hört sich so blöd und banal und kindisch und dumm an. Aber das ist es einfach. Die Leute werden gehindert am Lieben und der hasst am meisten, der am Lieben gehindert wird und der nicht geliebt wird. Das ist immer schon so gewesen. Da brauch ich nicht irgendwelche schlauen Bücher lesen. Wie kann so was passieren, dass Männer in Kriege ziehen, wenn sie zu Hause Frauen hätten, mit denen sie ins Bett gehen könnten und die zärtlich zu ihnen wären? Wie gibt es das? Ich verlass doch nicht mein Haus und meine Stadt und geh nach Kiew oder wohin und erschieße da Leute, wenn ich zu Hause eine hübsche Frau habe, die gern mit mir schläft und die mit mir am Frühstückstisch sitzt und da geht es nicht ums Ficken oder Vögeln oder Blasen. Da geht es um Zärtlichkeit, um Liebe geht es da. Das ist eigentlich das Problem, was da draußen ist. Es wird alles lächerlich gemacht. Es wird alles nur grausig gemacht. Tippe ein bei google ‚Liebe‘, da bekommt man 200 Seiten, tippe ein ‚ficken‘ dann kommen 30 Mio. Seiten. Irgendwelche Idioten, die mit dem Handy in Thailand, ein Vater und sein 23-jähriger Sohn, eine 16-jährige durchficken. Millionen nicht Tausende, Millionen solcher Seiten und das sehen unsere Kinder mit 12 – 13 Jahren und dann weiß ich, was da auf uns zukommt in der nächsten Zeit.

FRANK TEMPEL: Du kommst aus Bayern und da habe ich etliche Kollegen im Bundestag so in anderen Fraktionen, die sagen, wenn wir das Drogenverbot aufheben, dann ist ja der Untergang des Abendlandes da, dann versinkt die Welt im Drogensumpf.

HANS SÖLLNER: Ja, Ja. Das wäre gut, wenn es endlich untergehen würde DIESES Abendland.

FRANK TEMPEL: Ja, dieses Abendland, aber nicht alle Menschen sind aus reiner Bosheit dieser Meinung, nur mal aus der Erfahrung her in dem Thema, welche Tipps gibt es für Menschen, die einfach zwar Angst davor haben, vor dem, was alles prophezeit wird, was alles passiert, wenn die Drogen da sind, aber wie kann man sich dem Thema völlig offen und ohne Vorurteile nähern?

HANS SÖLLNER: Also, wenn ich jetzt 56 wäre und ich hätte davor Angst vor diesem Thema, dann würde ich das mal wagen, mich mit jüngeren zu treffen und zu sagen: Hey wie schauts aus,darf ich mal dabei sein wenn ihr einen raucht oder darf ich auch mal ziehen?. Aber ich kenne ja jetzt schon, was da raus kommt. Ich bin kein Therapeut und ich bin kein Polizist und ich bin auch einfach kein Politiker, ich kann den anderen nur sagen, alles was sie in der Politik gemacht haben, war nicht zu unserem guten und trotzdem haben sie es gemacht und haben es probiert und wählen sie alle vier Jahre wieder und hoffen immer wieder, dass sie glücklich werden und dass sie irgendwann ihr Glück finden. Dann kann ich doch auch sagen, irgendwann ja lass es doch auf uns zukommen, probieren wir die Legalisierung, fangen wir mit den leichten Drogen an. Ich bin ja der Meinung alles, weil ich immer noch der Meinung bin, dass hundert oder tausend Herointote nicht so viel sind wie 70 tausend Nikotintote und 90 tausend Alkoholtote, da brauch ich kein Abitur, damit ich den Unterschied von den drei Zahlen kenne, aber ich sage, ich würde es einfach probieren. Ich würde auch probieren mit dem bedingungslosen Grundeinkommen, lass es uns probieren, es gibt keine Sozialhilfe mehr, keine Rente mehr, keine Kindergeldzuschüsse mehr, gar nichts mehr. Jeder bekommt einen Tausender, aus. Man kommt auf die Welt und hat einen Tausender. Einen Monat später hat er ein Konto, kriegt er tausend Euro, das ist sein Lebensgeld, sein Menschengeld, egal was – Mutter oder Vater. Da kann der Vater mal zuhause bleiben, da gibt es keine Elternzeit oder irgendwas, was beantragt werden muss, gar nichts. Da gibt es einen Tausender, aus! Dann sind das vier, zwei Kinder, eine Frau, ein Mann, haben 4000 €‚¬. Das ist halt zeitgemäß, muss ich ganz ehrlich sagen. Es ist nicht zeitgemäß, sich mit der von der Leyen zu unterhalten, ob die Hartz IV Empfänger 5 €‚¬ mehr bekommen. Da mag ich jetzt gar nicht über die Zeit reden, die wir schon mal hatten, die wir nicht noch einmal wollen, dass die noch mal kommt, weil da muss man wahnsinnig aufpassen, wenn du die mit diesen Leuten vergleichst, die damals unterwegs waren. Aber so sehe ich das – ganz einfach banal. Sie bringen Leute dazu, sich gegenseitig zu bestehlen, zu ermorden. Für fünf oder zwanzig Euro einen Taxifahrer zu überfallen, weil die von der Leyen sagt: Ja 3 Mio. Arbeitslose oder Hartz IV Empfänger a 5 €‚¬ zack, da muss ich mal rechnen… und dann im selben Atemzug haben sie 70 Mrd. übrig für irgendwelche Scheiß Banken, die meine Kohle verprassen, die Wixer, und dann brauch ich, nachdem ich sie gerettet habe, einen Kredit von ihnen, dann geben sie mir keinen. Das ist ihr System. Wir könnten es unterbrechen, indem wir einfach nicht mehr mitmachen – ganz banal und ganz einfach nicht mehr mitmachen. Ich sag immer wieder, machts halt einfach nicht mehr mit und anfangen würde ich bei der Exekutive, weil das ist die, mit der ich am meisten zu tun habe in diesem Leben, auf diesen Straßen. Ich habe nicht mit einem Richter, der Richter kommt erst drei Monate später oder fünf Monate später, dann kommt erst mal mein Anwalt, dann kommt der Staatsanwalt. Aber ganz am Anfang, der erste, mit dem ich zu tun habe, ist der Polizist, der heute Nacht da draußen eine Straßensperre aufbaut, weil er weiß, der Söllner hat ein Konzert und dann fahren jetzt 30, 40, 50 Leute vorbei und wenn wir nur einen erwischen mit drei Gramm, dann haben wir eben einen. Da würde ich beginnen. Ich beginne dort! Die bekommen von mir gar nichts, also wenn ich eine Kontrolle habe, dann geht es immer soweit, dass sie mich in Handschellen abführen, weil sie von mir gar nichts kriegen. Sie kriegen weder einen Führerschein noch einen Fahrzeugschein, sie kriegen gar nichts von mir. Ich sage: Sie müssen sich darauf verlassen, dass ich alles dabei habe, wenn sie irgendwas brauchen, suchen sie sich das, ich gebe es ihnen nicht. ‚Ja warum sind sie so unkooperativ‘, weil ich mit ihnen nicht kooperiere. Aus! Das ist alles, was ich ihnen sage und es funktioniert und ich hab nie einen Führerschein dabei, nie. Ich bin doch nicht bescheuert und nehme meinen Führerschein mit. Ich bin ja eigentlich immer positiv. Das geht ja gar nicht, wenn ich meinen Führerschein dabei habe. Wenn ich vierzehn Tage auf der Tour rauch, dann brauch ich eine Woche, bis ich wieder einigermaßen clean bin, dann dürft ich ja gar nicht fahren, ich habe meinen Führerschein nie dabei. Wenn du ihn nicht dabei hast, dann können sie ihn dir nicht nehmen, dann müssen sie sich rumstreiten, rumschreiben, dann wirst du gemahnt, dann bekommst du ein Bußgeld. Das dauert Wochen, Monate. Irgendwann hoffe ich immer, dass sie es vergessen. Mir ist es einfach Wurscht. Aber dann kann man natürlich sagen, ja klar, du kannst dir das leisten. Das stimmt schon irgendwo, weil irgendwelche Leute hinter mir stehen: Meine Frau, meine Kinder. Wenn du das natürlich nicht hast und deine Frau sagt: Das kannst du nicht machen. oder so, wenn du das nicht hast, hast du verloren. Du brauchst jemanden, der einfach bei dir ist, der sagt, nein, das ziehen wir jetzt miteinander durch. Dann nehmen wir unsere Kinder aus dem Kindergarten raus oder aus der Schule und die kommen jeden Tag zu einer anderen Zeit, weil du kein Auto mehr hast. Du kannst sie nicht mehr hinbringen, dann schauen wir mal, was da passiert. Wenn alle so sind, nicht drei oder fünf oder siebzehn oder zweitausendvier sondern 4 Millionen deutsche Autofahrer, die ab und zu kiffen so sind, dann geht`s, aber nicht mit drei oder du oder ich oder wir fünf hier, vergiss es einfach.

FRANK TEMPEL: Dankeschön Hans Söllner für den kleinen Einblick in eine recht entspannte Lebenssicht und wünschen wir uns gemeinsam, dass diese Entspanntheit doch wesentlich mehr Menschen erreicht und dass man tatsächlich etwas relaxter mit Themen umgeht, wo heute über die Menschen hinweg entschieden wird und nicht mit den Menschen gearbeitet wird und dass sich doch ein Stück weit bewegt. Ist, abschließend, so ein bisschen Bewegung wenigstens in der Debatte zu beobachten, wenn man so sich umhört.

HANS SÖLLNER: Also ich merk jetzt zum Beispiel an den Leuten, die jetzt so ein bisschen nachkommen, dass die nicht mehr so hinter all den Sachen her sind, also Führerschein machen und dass ganze Zeug – ich merk das – ganz viele junge Leute den Führerschein nicht machen und sagen, nein, ich möchte jetzt ein bisschen Party feiern und ein bisschen trinken und ein bisschen rauchen, dann mach ich den Führerschein mit 27 oder mit 26, wenn es dann ein bisschen nachlässt, wenn Family eigentlich im Kopf so anfängt aufzutauchen. Aber ich habe das Gefühl, auch so bei meinen Söhnen, die sind nicht so Typen, die unbedingt ein Auto brauchen. Einer meiner Söhnen hat keinen Führerschein, auch wegen dem Kiffen, das interessiert den gar nicht mehr, der hat sich dran gewöhnt, mit den öffentlichen zu fahren, das ist auch ok. Wenn ich mir vorstelle, dass alle ihren Führerschein machen, das ist sowieso gar nicht möglich. Wenn ich jetzt noch mal jung wäre, dann würde ich mir das wahrscheinlich schon gut überlegen, ob ich jetzt mit 18 Jahren Führerschein mache oder ob ich jetzt einmal acht oder zehn Jahr eine Party feiere. Da kann ich mit dem Zug fahren. Einfach ein bisschen was rauchen, ein bisschen was probieren, irgendwie ein bisschen umschauen auf der ganzen Welt und dann so mit 30 ein bisschen runterfahren. Bei uns war das so. Ich war mit 18 so wohlbehütet, Gott sei dank. Mein Vater war nicht hinter meinen schulischen Sachen her. Ich habe einfach um eins Schulschluss gehabt. Ich habe nicht noch Geige üben müssen und dann noch Mathenachhilfe, also für mich war dann einfach Freizeit und dadurch bin ich einfach ziemlich frei und ziemlich offen aufgewachsen. Wobei ich mich immer noch sehr schwer tue mit dem Umgang von Freiheit, den die Jugend von heute hat, weil das ist es ja eigentlich nicht. Jeder hat ein IPhone, jeder hat irgendwas, was Geld kostet. Ich meine, heute Jugendlicher zu sein, kostet zum Teil extrem viel Geld. Was ist dann mit den Eltern, die dann vielleicht gar nicht so viel Geld haben? Ich würde einfach so sagen, dass ich schon merke, dass sich ein bisschen was ändert. Ich bin jetzt kein Pessimist und mir macht das Leben Spaß und ich habe sechs Kinder, aber ich glaube nicht, dass wir es noch erleben.

FRANK TEMPEL: Dann arbeite ich mal dran, dass Hans Söllner mal unrecht hat. Ich bedanke mich und wünsche ein schönes Konzert nachher.
Mit freundlicher Genehmigung vom Bundestagsabgeordneten Frank Tempel (Die Linke)

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