Der Leiter des Thüringer Staatsarchivs Greiz, Hagen Rüster, plaudert im Weißen Saal über das Leben am Hofe der Reußen
GREIZ. Das Erscheinen bei Hofe erfordert Format. So erzählte Hagen Rüster am Freitagabend im Weißen Saal des Unteren Schlosses seine Geschichten über den Greizer Hof in dunkelblauer Livree, einer uniformähnlichen Dienerkleidung. Der Direktor des Thüringer Staatsarchivs ging dabei der Frage nach, wie sich das höfische Leben in Greiz, der Hauptstadt des Fürstentums Reuß Älterer Linie, gestaltete. Da die Verfassung monarchisch festlegte, dass es nur einen männlichen Thronfolger geben konnte, „nützten Heinrich XXII. seine fünf Tochter nichts“, wie Rüster ironisch formulierte.
Er sinnierte, was der letzte Reußenherrscher gedacht haben mochte, als sich der einzige männliche Nachfahre, Heinrich XXIV. als nicht regierungsfähig erwies. „Der Fürst sah damit sein Ende kommen“, sagte Rüster. Doch wie gestaltete sich das Leben im ausgehenden 19. Jahrhundert bei Hofe? Es gab einen Kabinettschef, Richard von Geldern-Crispendorf, der gleichzeitig Kammerpräsident
und somit der oberste Vertraute des Fürsten war. Der Hofstaat hatte eine Vielzahl von Bediensteten, wobei „alle Posten Vertrauensstellungen waren“, so Rüster. So gehörte der Leibjäger genauso dazu wie die Wäschebeschließer, der Mundkoch oder der Stubenheizer.
Die Küche war der wichtigsteTeil des Hofstaates, schließlich hing davon das Renommee des Hofes ab. Hagen Rüster, der sich als profunder Kenner des Lebens am Greizer Hofe zeigte, verlas Auszüge aus Briefen, die Heinrich XXII. Reuß Älterer Linie seinem Kabinettschef Geldern schrieb.
So bot Rüster ein Beispiel dar, das die Unsicherheit des Fürsten im Umgang mit Trinkgeld auswies. Bei einem Besuch in der Arnoldschen Fabrik
ließ Heinrich XXII. keinen Obolus zurück, bat aber bald seinen Vertrauten, den Arbeitern 100 Mark zu bringen, dabei allerdings die Schuld des Versäumten auf sich zu nehmen.
Parallelen zur Gegenwart ließ Rüster nicht aus. So sei der moderne Hofstaat eigentlich der gleiche wie ehedem geblieben – ein Instrument, das behilflich ist, die Macht des Herrschers zu vergrößern.
Antje-Gesine Marsch @26.08.2011
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