NGG warnt vor einem „Durchlöchern des Arbeitszeitgesetzes“.NGG warnt vor einem „Durchlöchern des Arbeitszeitgesetzes“. Foto: NGG

1,2 Millionen Überstunden im Kreis Greiz – 641.000 davon für „umsonst“

GREIZ. Wenn der Landkreis Greiz richtig schuftet, kommt ein Überstunden-Berg heraus: Rund 1,2 Millionen Arbeitsstunden haben die Beschäftigten hier im vergangenen Jahr zusätzlich geleistet. Davon 641.000 Überstunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung. Das geht aus dem „Überstunden-Monitor“ hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) erstellt hat. Danach haben alle Beschäftigten den Unternehmen im Kreis Greiz 16 Millionen Euro „geschenkt“.
Allein in Hotels und Gaststätten leisteten die Beschäftigten hier im vergangenen Jahr rund 21.000 Überstunden. Das hat das Pestel-Institut auf Basis des Mikrozensus berechnet. Die Wissenschaftler sind von bundesweiten Durchschnittswerten ausgegangen. Demnach waren 43 Prozent aller im Landkreis Greiz geleisteten Überstunden im Gastgewerbe unbezahlt. Für 2018 bedeutet dies – bei 12 Euro Lohnkosten pro Stunde für den Arbeitgeber – ein „Lohn-Geschenk“ von 114.000 Euro.
„Von der Küchenhilfe im Hotel bis zum Kellner im Biergarten: Wer im Gastgewerbe arbeitet, ist auf jeden Euro angewiesen. Dabei sind 44 Prozent dieser Arbeitsplätze im Kreis Greiz Minijobs“, sagt NGG-Geschäftsführer Jens Löbel. Das Problem der 450-Euro-Kräfte: Sie dürfen keinen Euro hinzuverdienen. „Also werden die Überstunden entweder gar nicht oder schwarz bezahlt – bar auf die Hand. Statt Minijobber mit 450 Euro abzuspeisen, sollte das Gastgewerbe endlich mehr Menschen regulär beschäftigen und ordentlich bezahlen“, fordert Löbel.
Die NGG geht in Sachen Arbeitszeit jetzt in die Offensive: Sie stellt sich mit der Gastgewerbe-Kampagne „#fairdient“ hinter die rund 1.100 Beschäftigten in den Hotels, Restaurants und Gaststätten im Kreis Greiz. Denn ihnen drohe – über den verlorenen Lohn bei Umsonst-Überstunden hinaus – noch ein anderes Problem: Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) dränge die Bundesregierung, die Arbeitszeiten noch flexibler zu machen. „Es geht darum, das Arbeitszeitgesetz zu durchlöchern. Ziel der Arbeitgeber ist es, die Höchstarbeitszeit auf bis zu 13 Stunden pro Tag auszuweiten“, kritisiert Löbel.
Der Dehoga werde sich mit seinem Vorstoß „ein Eigentor schießen“, so die NGG. Denn das Hotel- und Gaststättengewerbe könnte durch eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit an Attraktivität einbüßen. „Gerade junge Menschen werden dadurch verschreckt. Und das bei der – im Branchenvergleich – ohnehin schon besonders niedrigen Ausbildungsquote“, sagt Löbel.

Pressemitteilung Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten @27.08.2019