"Fotografie & Lyrik" in Vogtlandhalle GreizInteressiert betrachten die Gäste die Ausstellung "Photografie & Lyrik" von Peter Hochel und Reinhard Hilbert.

Peter Hochel (Fotografie) und Reinhard Hilbert (Texte): Ausstellung ist mehr als nur ein bloßes Abbild der realen Umwelt
GREIZ. Es kommt wohl eher selten vor, dass eine Ausstellung zwei Mal eröffnet wird. Anders die Exposition „Photographie & Lyrik“, die nach neununddreißig Jahren fast genau an die Stelle zurückkehrte, wo sie bereits im Jahr 1976 zu sehen war. Nur wenige Straßen weiter befand sich damals der Club „Alexander von Humboldt“ – zu DDR-Zeiten ein Ort, wo sich die intellektuelle Jugend der Stadt traf, Rock und Jazz hörte, über Literatur, Gott und die Welt diskutierte und sich ein wenig rebellischen Freiraum nahm – stets argwöhnisch beäugt von den örtlichen Funktionären des Arbeiter-und Mauern-Staates, wie es Karsten Schaarschmidt formulierte, der am Montagabend im Foyer der Vogtlandhalle Greiz in die Ausstellung einführte. Dass die Schau „Photographie & Lyrik“ von Peter Hochel und Reinhard Hilbert zum wiederholten Mal gezeigt wird, ist der Greizer Buchhändlerin Barbara Jugel zu verdanken. „Wir freuen uns, dass die Fotos und Gedichte nach all den Jahren noch einmal zu sehen sind“, versicherten Peter Hochel und Reinhard Hilbert einhellig. Beide wurden im Jahr 1953 in Greiz geboren, doch verliefen die Biografien recht unterschiedlich: Hochel arbeitete nach einem Informatik-Studium an der Technischen Hochschule Ilmenau unter anderem als Fotograf, Verleger und Grafiker; 1989 verließ er die DDR und kehrte 2010 in die Heimat zurück. Seither ist er als Galerist in Plauen tätig. Reinhard Hilbert leitete nach Günter Ullmann den Zirkel „Junge Lyriker“, absolvierte von 1976 bis 1982 ein Fernstudium zum Bibliothekar und führt heute in Greiz ein Unternehmen.
Die Ausstellung, die bereits im Vorjahr im Plauener Malzhaus Beachtung fand, offeriert 13 Schwarz-Weiß-Fotografien mit Greizer Motiven aus dem Jahr 1976 und sieben dazugehörende Gedichte, elf weitere Gedichte sowie das Originalplakat. Dass die Ausstellung seinerzeit im „Club“ gezeigt werden konnte, war dem damaligen Leiter Manfred „Ibrahim“ Böhme zu verdanken – jenem „mephistophelischen Verführer – und Verräter, wie sich später zeigen sollte, der janusköpfig förderte und zugleich denunzierte“, so Karsten Schaarschmidt. Bereits damals habe die Ausstellung Aufsehen erregt, rief er in die Erinnerung zurück. War sie doch künstlerisch weit entfernt von den SED-geforderten Vorgaben eines sozialistischen Realismus, der den grauen Alltag als farbenprächtiges potemkinsches Dorf widerspiegeln musste. Denn in den Fotos, die Peter Hochel fertigte, offenbarte sich das, was es eigentlich im Sozialismus nicht geben durfte: Verfall und Enge. Inspiration erhielt der junge Hochel durch die Ausbürgerung Biermanns, die kritischen Texte des Reichenbachers Jürgen Fuchs, die Musik von media nox und letztlich durch die Lyrik eines Günter Ullmann. Wie Karsten Schaarschmidt ausführte, seien Peter Hochels Fotos weniger Dokumentaraufnahmen, sondern vielmehr „virtuose Autorenfotografien“, somit ein „poetisch-melancholisches Spiel mit der Vergänglichkeit“. Im Grunde seien die Aufnahmen ortsungebunden; in jedem anderen Ort der damaligen DDR hätte man diese Motive finden können: ausgetretene Stufen, schmale Gassen oder der Blick durch eine geöffnete Dachluke. Die epigrammartigen Gedichte von Reinhard Hilbert sind den Fotos zugeordnet – stehen dabei aber nicht als Interpretationshilfe, sondern Ergänzung; erscheinen wie „Gedankensplitter“.
So poetisch Hochel mit dem Licht und Strukturen umgeht, arbeite Hilbert mit Worten und erschaffe sensible wie bildgewaltige Miniaturen von philosophischer Dimension, befand Karsten Schaarschmidt. Die Ausstellung erhält somit ihre Besonderheit durch das Wechselspiel von Lyrik und Fotografie. Die Originalausstellung – diese Exposition ist eine Replik – befindet sich nach Schenkung in der Reiner-und-Elisabeth-Kunze-Stiftung in Passau. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Rudolf „Ruby“ Kuhl (Saxofon), Peer Salden (Klarinette) und Harald Seidel (Bass). Bis 15. Oktober wird sie im Foyer der Vogtlandhalle Greiz zu sehen sein.

Antje-Gesine Marsch @29.09.2015