Der 1900 errichtete Bismarckturm auf dem Netzschkauer Kuhberg ist ein 21 Meter hoher, denkmalgeschützter Aussichtsturm und zudem beliebtes Ausflugsziel
GREIZ. Weithin sichtbar erhebt sich majestätisch der Aussichtsturm auf dem Kuhberg – nicht zuletzt gut zu erkennen durch seinen „großen Bruder“, einen 75 Meter hohen, runden Richtfunkturm der Telekom – ins Vogtland. In seiner langen Geschichte, die in diesen Tagen genau 115 Jahre währt, wurde der einstige „Bismarckturm“ Zeitzeuge zweier schrecklicher Weltkriege, wurde zu DDR-Zeiten in den 1970ern nach Jahren der baupolizeilichen Sperre komplett saniert und erfreut sich in der Gegenwart nach wie vor größter Beliebtheit als Ausflugsziel für Jung und Alt.

Bürger um finanzielle Unterstützung gebeten
Dr. phil. Gottfried Doehler (1863-1943), Schriftsteller, Philosoph, Herausgeber und ab 1921 Verwalter der Staatlichen Bücher-und Kupferstichsammlung im Sommerpalais Greiz, gehörte zu den Mitorganisatoren, die den Bau eines Aussichtsturms auf den Weg brachten. Im Jahr 1899 konstituierte sich ein Ausschuss, der für den Bau verantwortlich zeichnen sollte. Dr. Doehler veröffentlichte einen Aufruf und bat um finanzielle Unterstützung seitens der Bürger – im Oktober 1899 wuchs der Fonds bereits auf 20.000 Mark an. Im selben Jahr wurde der Kaufvertrag des Kuhbergs mit der Stadt Netzschkau über 3000 Mark besiegelt.

Bau des Turms
In nur viermonatiger Bauzeit errichteten vierzig Arbeiter der Greizer Firma Golle und Kruschwitz den Turm. 2 Meter fünfzig tief musste der Bauplatz ausgeschachtet werden, um auf festen Untergrund zu stoßen. Als Baumaterial für das innere Mauerwerk wurden Ziegel, für das äußere Fichtelgebirgs-Granit und für die Zwischenfüllung Grauwacke vom Kuhberg benutzt Die Treppenstufen wurden aus Schreiersgrüner Granit gefertigt. Nach Fertigstellung des Kuhbergturmes loderte auf der Spitze ein weit sichtbares Feuer, doch da die Hitze das Mauerwerk schädigte, musste die Feuerpfanne wenig später wieder aus dem Turm wieder entfernt werden. Über dem Eingang wurde ein in Stein gehauenes Bismarck-Wappen angebracht. Über vier Steinstufen gelangte man zum Eingangsbereich auf der Nordseite des Turmes. Durch ein massives, rundes Portal betrat man die mit roten Verblendziegeln verkleidete Innenhalle mit einer Seitenlänge von ca. 4 Metern. Eine freigelagerte granitene Treppe mit 62 Stufen führte zum unteren Aussichtsbereich mit drei verglasten Fenstern. Von hier aus gelangte man über eine eiserne Treppe mit 18 Stufen zur oberen Aussichtsplattform mit sechs Ausgucken zwischen den Kragsteinen. Über weitere 20 Stufen einer Metalltreppe erreichte man die Befeuerungsplattform mit einem Durchmesser von 3,80 Metern. Heute haben die Metalltreppen 23 und 16 Stufen, die Befeuerungsplattform wurde nach 1901 zur oberen Besucherplattform ausgebaut.

Weihe des Bismarckturms
Am 28. Oktober 1900 erfolgte unter großem Jubel und Anteilnahme der Bevölkerung die Einweihung des Bismarckturms. Die Gesamtbaukosten betrugen 35.000 Mark. Bereits zwei Monate vorher hatte man beschlossen, den „Bismarckturmverein des nördlichen Vogtlandes“ zu gründen. Nach Dr. Neander wurde Mitte Februar 1903 der Greizer Fabrikbesitzer Felix Günther zum Vorsitzenden gewählt. Im ersten Jahr seines Bestehens bestiegen 16.000 Personen den Aussichtsturm, um die gute Rundumsicht ins Vogtland zu genießen. Bis Mitte August 1905 wurde das Bauwerk schon von ca. 50.000 Besuchern, davon knapp die Hälfte Kinder bestiegen. Oft fanden zu Füßen des Bismarckturmes große Volksfeste oder sportliche Wettkämpfe statt.
Selbst König Friedrich August III. von Sachsen trug sich anlässlich eines Trachtenfestes in das Ehrenbuch ein. Bald wurde neben dem Turm eine Unterkunftshütte für Wanderer gebaut – nach Ende des 1. Weltkrieges erlebte der Turm eine Renaissance. Sanierungsmaßnahmen an Turm und Hütte wurden durchgeführt – in den 1920er Jahren wurde eine Sommergaststätte angebaut, die allerdings in den letzten Kriegstagen 1945 gesprengt wurde.

Auflösung des Bismarckvereins und Sperre vor grundlegender Sanierung
Kurz nach Kriegsende löste sich der Bismarckverein auf – Turm und Gebäude des ansonsten unversehrt gebliebenen Kuhbergs gingen in den Besitz der Stadt Netzschkau über. Doch der Aussichtsturm verwahrloste – Fenster wurden eingeschlagen und die Treppen und das Innere verwüstet. Am 10. Oktober 1954 folgte die Weihe einer neuen Kuhbergbaude. Doch bald zeigten sich am Turm so starke Verwitterungsschäden, dass er in den 1960er Jahren komplett gesperrt werden musste. Nach einer umfassenden Sanierung Mitte der 1970er Jahre wurden Turm und Baude unter Denkmalschutz gestellt. Seither ist der Turm vom Frühjahr bis zum Herbst wieder für Besucher geöffnet.
Eine sehr wechselvolle Geschichte hat dieser Turm hinter sich. Immer aber waren Menschen bestrebt, dieses erhabene Kulturdenkmal zu schützen und zu erhalten.

Info:

Die Öffnungszeiten des Turmes orientieren sich an den Öffnungszeiten der Kuhbergbaude (benachbarte Gaststätte, Tel.: 03765/34125)

Quelle:
Kuhbergbaude Netzschkau, Rat der Stadt Netzschkau 1954
Internetseite „Bismarcktuerme“

Antje-Gesine Marsch @15.10.2015