Spielen täglich Armdrücken mit dem TodNotarzt Falk Stirkat zur Lesung in der Stadtkirche "St. Marien".

Notarzt Falk Stirkat las aus seinem Band „Ich kam, sah und inturbierte“ – Aus Platzmangel zogen die Gäste der Lesung kurzerhand in die Greizer Stadtkirche um

GREIZ. Fast hätte die Leiterin der Bibliothek, Corina Gutmann, selbst einen Notarzt gebraucht, wie sie lachend zugab. Förmlich überrannt wurde am Mittwochabend die Lesung mit dem gebürtigen Greizer Falk Stirkat, der eigentlich in der Bibliothek seinen Band „Ich kam, sah und inturbierte“ vorstellen wollte. Doch bereits eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn stellte sich heraus, dass die Platzkapazität bei weitem nicht ausreichen würde. Kantor Ralf Stiller war schließlich der „Retter in der Not“, unterbrach seine Probe, sperrte flugs die Stadtkirche auf und sorgte mit sicheren Handgriffen auch für die Beschallung der Veranstaltung. Mit Applaus bedachten die weit über einhundert Besucher diese schnelle, unkomplizierte Hilfe.

Falk Stirkat, 1984 geboren, hatte zu Beginn seiner Lesereise quasi ein Heimspiel. „Das kann nur ein gutes Omen sein“, zeigte sich der Mediziner und Autor überzeugt. In Greiz geboren und aufgewachsen, studierte Stirkat nach dem Abitur Humanmedizin an der berühmten Karls-Universität Prag. Es folgten Ausbildungszeiten in Notaufnahmen und Intensivstationen. Seit dem Jahr 2010 ist der junge Mann als Arzt tätig, gegenwärtig ist er Leiter einer großen Notarztwache in Erlangen.
„Ich möchte Sie heute mitnehmen – auf dem Beifahrersitz eines Rettungswagens “ führte Falk Stirkat in die Lesung ein. Ausgewählte Textpassagen offerierten, wie nahe Hoffnung und Trauer, Dramatik und Humor oder Helfen und Aufgebenmüssen beieinander liegen. In etwa 80 Prozent aller Einsätze erkenne man innerhalb der ersten drei Minuten, um was es sich handelt – in zwanzig Prozent aber eben nicht, so Falk Stirkat und lieferte mit der Geschichte eines Patienten, der auf einem Zahnarztstuhl einen Herzinfarkt erlitt, ein authentisches Beispiel. In verschiedenen Episoden reißt der Mediziner an, wie es im Leben eines Notarztes zugeht, offeriert die Freude, einem Menschen das Leben gerettet zu haben oder hilflos ist, wenn alle lebensrettenden Maßnahmen nicht zum ersehnten Ziel führen. Dabei benutzt der Autor weder übertriebenes Mediziner-Jargon, sondern agiert auf Augenhöhe mit dem Zuhörer respektive Leser. Berührend, doch ohne aufgesetztes Pathos, muss Falk Stirkat auch zugeben, dass man das „Armdrücken mit dem Tod“ nicht immer gewinnen kann.

Zwar empfindet der Mediziner das deutsche Gesundheitssystem weltweit als eines der besten, doch richtet er seine Kritik auch gegen gesellschaftliche Missstände. Etwa beim Thema Sterbehilfe stellt der Notarzt die Frage: Wie weit soll man gehen? Am Beispiel einer Altenpflegerin, die den Notarzt alarmiert, weil sie gesetzlich dazu verpflichtet ist, erörterte Falk Stirkat den schmalen Grat, auf dem sich Mediziner in solcher Situation bewegen – zumal die Patientenverfügung eindeutig vorsah, bei dem betroffenen hochbetagten, schwerkranken Mann keine lebenserhaltenden Maßnahmen einzuleiten. „Sollte man die Wünsche eines Todkranken nicht akzeptieren?“, schildert Stirkat den Teufelskreis. Aus dem medizischen Fortschritt heraus, der den Menschen ein hohes Lebensalter beschert, erwachse auch Verantwortung.

Dem Thema Reanimation widmete Falk Stirkat auch ein Kapitel. Jeder könne jeden Tag zum Lebensretter werden, ermunterte er die Gäste, bei Bewusstlosigkeit und ausgesetzter Atmung mittels Herzdruckmassage wertvolle Erste Hilfe zu leisten. Falk Stirkat stellt in diesem Band nicht nur mit viel Empathie und Können die unterschiedlichsten Situationen dar, sondern sensiblisiert nachhaltig für die höchst verantwortungsvolle Arbeit eines Notarztes. Cäsars Spruch „Veni, Vidi, Vici“ verlieh dem angelehnt reißerisch anmutenden Buchtitel eine ganz neue, wertvolle Bedeutung: Ich kam, sah und überzeugte.

Service:
Falk Stirkat
ICH KAM, SAH UND INTUBIERTE
Wahnwitziges und Nachdenkliches
aus dem Leben eines Notarztes
264 Seiten | Taschenbuch
ISBN 978-3-86265-496-3
9,99 EUR

Antje-Gesine Marsch @08.10.2015