Schuleinführung in GreizSchuleinführung in Greiz, Ende der 1960er Jahre.

Zum Schulanfang der Mädchen und Jungen gibt es die beliebte Zuckertüte – Seit wann wird den Kleinen der Start in die Schule „versüßt?

GREIZ. Der Übergang vom Kindergarten in die Schule ist eine Herausforderung für Kind und Eltern. Die Einschulung stellt einen wichtigen Schritt im eigenen und dem Leben der Familie dar. Das Kind zählt sich nun zu den „Großen“ und ist kein Kindergartenkind mehr.
Ihrem großen Tag fiebern die ABC-Schützen voller Aufregung entgegen.
Eine liebevoll verzierte Schultüte und Geschenke gehören bei der Einschulung traditionsgemäß dazu. Kleinigkeiten für die Schultüte sind unter anderem Süßigkeiten in Maßen; die ABC-Schützen freuen sich auch über ein Hörbuch, eine DVD, ein Kartenspiel oder ein Kuscheltier. Auch Freundschaftsbücher sind beliebt. Für mehr Bewegung im Schulalltag können etwa ein Springseil oder Tischtennisschläger sorgen. In der Schultüte dürfen gern auch noch ein paar praktische Utensilien versteckt sein – neben einem Federmäppchen und Stiften zum Beispiel eine Brotdose und eine coole Pausenflasche.

Nur noch wenige Tage – dann werden die Kleinen in einer Schuleinführungsfeier auch „offiziell“ in die Reihen der Schüler aufgenommen. Am allermeisten freuen sich die Kinder natürlich auf ihre Zuckertüte. Was die wenigsten wissen: Die Tradition der Schultüte geht wohl auf das 19. Jahrhundert zurück und entstand in Ostdeutschland: Der erste dokumentierte Beleg stammt aus dem Jahr 1817, als in Jena ein Kantor im Auftrag der Eltern einem Schüler eine „mächtige Tüte Konfekt“ schenkte. 1820 überreichte in Dresden ein Vater seinem Sohn zum Schulbeginn eine Tüte mit Süßigkeiten vom Konditor. Bereits um 1810 wurde in Sachsen verkündet, dass „kleinen Menschen der erste Abschied vom Elternhaus mit einer „Zuggodühde“ versüßt wurde.

1852, also über 40 Jahre später, erschien in Dresden das Bilderbuch „Zuckertütenbuch für alle Kinder, die zum ersten Mal in die Schule gehen“. Empfohlen wurde dieses Buch sogar von der „Allgemeinen deutschen Lehrerzeitung“.

Ähnlich, aber noch einmal 70 Jahre später, im Jahr 1920 wurde „Der Zuckertütenbaum“ veröffentlicht. Das Buch von Albert Sixtus (Autor) und Richard Heinrich (Illustrationen) ist ein Kinderbuchklassiker – hat aber dennoch nichts an Aktualität eingebüßt: „Nach dem Christfest kam der Ruprecht müd‘ ins Zwergenland. Eine große Wunderzwiebel trug er in der Hand. „Pflanzt sie, pflegt sie“, sprach der Alte, „wenn ich lieg im Traum, dann wächst lustig unser neuer Zuckertütenbaum!“ Der Kinderbuchautor Albert Sixtus (1892 – 1960), der auch die bekannte „Häschenschule“ erdacht hat, berichtet in eingängigen Versen davon, wo die Schultüten herkommen. Die farbkräftigen Illustrationen von Richard Heinrich verleihen dem Geschehen zusätzliche Fröhlichkeit. Das Buch knüpft an die heitere Legende an, dass den Kindern früher erzählt wurde, im Keller jeder Schule stehe ein Zuckertütenbaum. Wenn die Tüten groß genug seien, wäre es für die Kleinen höchste Zeit, zur Schule zu gehen. Die Vorstellung, die beiden Büchern zu Grunde liegt, ist die des Zuckertütenbaumes, der im Keller wächst.

Hauptverbreitungsgebiete der Zuckertüten waren zunächst Thüringen und Anhalt, das Vogtland und das Erzgebirge. Nach Ansicht der Volkskundler wollte man mit der Zuckertüte die Schulanfänger feiern und ihnen den Start in den neuen Lebensabschnitt „versüßen“.
Nach Einführung der allgemeinen Schulpflicht 1871 durch Alexander von Humboldt stieg der Bedarf an Zuckertüten stark an und sie gewannen im 20. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung.

1910 wurden die Schultüten erstmals serienmäßig produziert. Erster Fabrikant war Carl August Nestler im erzgebirgischen Ort Wiesa. Noch heute werden dort in liebevoller Handarbeit die beliebten Zuckertüten gefertigt – mittlerweile in vierter Generation.

Während des Nationalsozialismus verschwand der Zuckertüten-Brauch nicht. Die Anhänger des NS- Regimes versuchten allerdings, die individuellen Schultüten durch eine „Einheitstüte“ zu ersetzen. Dieser Versuch war jedoch relativ erfolglos.

Zu DDR-Zeiten erhielt jeder ABC-Schütze eine schöne, große Zuckertüte. Auch Schuleinführungsfeiern – gern auch im größeren Rahmen – wurden zelebriert. Im Osten Deutschlands wird dieser Brauch noch heute ausgiebig gelebt. Man feiert in Gaststätten – oft erinnern die Feiern sogar an kleine Hochzeiten.

Auch die Zuckertüten sind in ihrer optischen Erscheinungsweise einer steten Entwicklung unterzogen. Trends und Raffinessen eroberten die klassische kegelförmige Schultüte. Aktuell ganz vorn auf den Wunschlisten stehen Disneyhelden, wie Elsa, die Eiskönigin, die Minions oder auch die Star-Wars-Tüte mit integriertem LED-Leuchtschwert.

Darüber hinaus gibt es auch klassische Motive, die sich seit Jahrzehnten halten – dazu zählen Klassiker wie Märchenhelden, Katzen oder Pferde – andere Figuren wiederum bleiben so lang aktuell, wie Filme und Bücher mit ihnen in den Geschäften zu finden sind.

Den ABC-Schützen – ganz gleich, wie ihre Zuckertüte aussehen wird – einen guten Start in die Schule und schöne Erinnerungen an diesen ganz besonderen Tag der Schuleinführung.

Antje-Gesine Marsch @01.08.2017