Stadtkirche St. MarienGreizer Orgelprojekt macht Fortschritte

Im September letzten Jahres begann die umfangreiche Restaurierung von Ostthüringens größter Orgel. Nach wie vor werden Spenden für das Projekt benötigt, daher lädt Kreiskantor Ralf Stiller zu einem Benefizkonzert am nächsten Freitagabend ein.

Bergfest – so könnte man den aktuellen Stand der Orgelrestaurierung in der Greizer Stadtkirche St. Marien bezeichnen. Noch immer sieht das riesige Instrument sehr unvollständig aus, denn bisher steht auf der oberen Empore lediglich das große Gehäuse, durch das man regelrecht hindurchschauen kann. Die für die vordersten Pfeifen vorgesehenen Prospektfelder sind leer und dahinter ist die Rückwand der Kirche zu sehen. Doch seit vergangenem Herbst hat sich eine Menge getan. Wochenlang ging es zunächst nur darum, alles Ausbaubare herauszuholen. Neben der Spieltraktur, den Windladen und -kanälen, den Relais, hunderten Ventilen sowie losen Kabeln erforderte vor allem das Entfernen der über 3.700 Orgelpfeifen viel Geduld und Ausdauer von den Mitarbeitern der Firma „Freiburger Orgelbau“. Viele Ehrenamtliche unterstützten von Anfang die Arbeiten und halfen z.B. beim Verladen der letzten Prospektpfeifen Mitte Januar dieses Jahres. „Ohne die Mithilfe der Gemeinde hätte es viel mehr Schwierigkeiten gegeben“, sagt Ralf Stiller rückblickend. „Die größten Pfeifen der Orgel sind über fünf Meter hoch. Doch auch die mussten natürlich ausgebaut und von der Empore heruntergehoben werden. Die Unterstützung von freiwilligen Helfern war dabei entscheidend.“ Auch die Unterbringung und Versorgung der Orgelbauer während der mehrwöchigen Montagephasen haben Gemeindemitglieder übernommen.  

Nach Ausbau der Orgelteile spielte sich ein Großteil der Restaurierungsarbeiten zunächst in der Werkstatt der Orgelbaufirma in Hugstetten, nahe Freiburg im Breisgau ab. Ab November wurden alle Pfeifen gereinigt, sortiert und auf Schäden überprüft. Eine entscheidende Rolle kam dabei dem Chefintonateur des Unternehmens Reiner Janke zu, der für jedes Register ein Intonationskonzept erarbeitete; eine Aufgabe, die erst mit der Generalstimmung des fertigen Instruments abgeschlossen sein wird. Parallel dazu erneuern die restlichen Mitarbeiter der Orgelbaufirma die Lederbälge, restaurieren die Schleifladen (= Bauteile zur Registersteuerung), dichten die Windkanäle ab oder konstruieren einzelne Register neu. 

Anfang Februar war die Orgelbaustelle in der Stadtkirche unübersehbar. Ein Gerüst wurde errichtet, um auch die Restaurierung des Orgelgehäuses zu ermöglichen. Die „Rinn & Volkland GbR“ aus Eisenberg, spezialisiert auf Denkmalspflege, reinigte und wachste zunächst alle Oberflächen des Gehäuses. Zahlreiche Stellen mussten aber auch ausgebessert werden, darunter insbesondere die Goldverzierungen und der Stuck. Doch das Endergebnis kann sich sehen lassen, denn selbst noch ohne Pfeifen wirkt das Gehäuse strahlender als je zuvor. Während aller Arbeiten in der Stadtkirche war auch Reinhard Limmer, Hausmeister der Greizer Kirchengemeinde, regelmäßig als zuverlässige Unterstützung vor Ort.

Leider verliefen nicht alle Arbeitsschritte nach Plan, erzählt Kantor Stiller. So zeigten sich nach Ausbau der Orgel bald Schäden, die vorher noch nicht abzusehen gewesen waren und deren Behebung leider auch kostensteigernd wirkte. Die Orgelbauer bemerkten im Frühjahr 2022, dass für die Kegelventile der Pfeifen über 1.500 Verbindungsstifte (auch „Stecher“ genannt) erneuert werden mussten. Zudem wurde frühzeitig deutlich, dass viele Pfeifen in einem schlechteren Zustand waren als ursprünglich gedacht.

Dennoch gingen die Arbeiten am Instrument in den letzten Monaten stetig und mit großen Fortschritten voran. Der alte Orgelmotor, noch aus Greika-Beständen stammend, befand sich über Jahrzehnte in einer kleinen Kammer unterhalb der Orgelempore. In den letzten Jahren machte sich vor jeder Benutzung der Orgel der reparaturanfällige Motor durch ein Aufheulen und Rauschen bemerkbar. Im Zuge der Restaurierungsarbeiten wurde er verschrottet. Der neue Motor wird wesentlich leiser sein und sich in einer schallisolierten Kiste direkt im Instrument befinden. Dort sorgt er für die Windversorgung der vielen Pfeifen. 

Auch die pneumatischen Schleifenapparate, eine Besonderheit der Greizer Orgel, haben nach aufwendiger, denkmalgerechter Sanierung bereits wieder ihren Platz in der Orgel gefunden. Sie stammen aus der Zeit des ersten großen Umbaus durch die Firma Jehmlich im Jahr 1919 und sorgen mittels einer ungewöhnlichen Konstruktion aus pneumatischen und mechanischen Elementen für die Steuerung der tiefen Register. Nach dem Einbau von über 800 Magneten (ebenfalls zur Ton- und Registersteuerung), den Ausbesserungen schadhafter Stellen im Holz der Windladen, der Neubelederung des Blasebalgs und der Installation eines großen Teils der Windkanäle folgten in den letzten Wochen die ersten Pfeifen des tiefsten Registers, die mittlerweile wieder am richtigen Ort stehen. Die nächste Montagephase mit dem Einbau weiterer Pfeifen wird im Juli beginnen. 

Die Orgelrestaurierung in der Greizer Stadtkirche ist in ihrem Umfang ein einzigartiges Projekt in der über 140jährigen Geschichte des Instruments. Mit der Firma „Freiburger Orgelbau – Hartwig & Tilmann Späth“ habe man ein international erfahrenes Team an Orgelbauern für das aufwendige Projekt gewinnen können, welches im vergangenen Oktober u. a. für den bemerkenswerten Neubau der Chororgel in Kahla verantwortlich war, so Kantor Stiller. Er lädt alle Musikbegeisterten zu einem Benefizkonzert am nächsten Freitag, 17. Juni um 19:30 Uhr in die Stadtkirche ein, um noch mehr Greizer für das Vorhaben zu begeistern und auf den Wert der ungewöhnlich großen Orgel hinzuweisen. Der Kantatenchor wird zusammen mit der Vogtland Philharmonie und Solisten verschiedene Werke von Händel, Bach und Mendelssohn erklingen lassen. Tickets gibt es im Büro der Kirchengemeinde, in der Tourist-Info sowie in der Buchhandlung „Bücherwurm“. Resttickets sind an der Abendkasse erhältlich. Weitere Infos zum Ablauf der Orgelrestaurierung können Interessierte im Internet unter kirchengemeinde-greiz.de/orgelblog finden. 

Marius Frantz

Von Leserpost