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Friedensgebet in Greizer Stadtkirche »St. Marien«

Friedensgebet in Greizer Stadtkirche »St. Marien«

Über einhundert Gäste kamen zum Friedensgebet in die Greizer Stadtkirche St. Marien. Sup. Andreas Görbert (r.) im Gespräch mit Besong Agbor und Anja-Maria Vetter

GREIZ. Am Freitagabend lud die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde zum Friedensgebet in die Stadtkirche „St. Marien“ ein. Die gute Nachricht zuerst, wie Superintendent Andreas Görbert sagte und berichtete, dass die Demonstration der sogenannten Bürgerinitiative gegen ein Asylheim auf dem Greizer Zaschberg am Nachmittag kurzfristig abgesagt wurde. Doch damit ist der Spuk noch nicht vorbei, weiß der Geistliche. Er frage sich, woher der Hass und die tiefe Verachtung für diese Menschen kommen. Zusammen ans Licht zu treten und die Kirche als Asyl und Ort des Lichtes zu sehen, lud Herr Görbert die etwa 100 Gäste ein. Nächstenliebe brauche Klarheit und Demokratie Aufklärung. Die Aufnahme von Fremden sei auch im Alten und Neuen Testament ein immer wiederkehrendes Thema. Der Pohlitzer Pfarrer Christian Colditz las dazu aus Matthäus 25, die Verse 35 bis 40.

Um aufzuzeigen, wie in Greiz Nächstenliebe gelebt wird, hatte Andreas Görbert Michael Lurtz und Anja-Maria Vetter eingeladen, die gemeinsam mit dem Sprach-und Integrationsmittler Besong Agbor den Asylbewerbern die Türen des Cafe`s O.K. auf dem Kirchplatz als Raum der Begegnung geöffnet haben. Es sei wichtig, miteinander ins Gespräch zu kommen. Oft ist es Unwissen, was die Menschen in sich tragen, zeigt sich Besong Agbor überzeugt. Er trainiert beispielsweise zweimal in der Woche mit Asylbewerbern Fußball. Regelmäßig nehme man an Turnieren in der Region teil; sogar die Polizeiauswahl habe man schon geschlagen, wie Besong Agbor schmunzelnd berichtete. Sport sei eben auch eine Möglichkeit, Vorurteile abzubauen, wichtig sind ebenso regelmäßige Begegnungen, die fortan montags und freitags im Cafe` O.K. stattfinden werden, wie Frau Vetter einlud.

Die Stadt Greiz muss sich wehren, forderte Martina Högger von der Bürgerinitiative Weil wir Greiz lieben, die berichtet, dass sich 15 Vereine, Verbände und Institutionen zu einem Solidaritäts-Dachverband zusammengeschlossen haben. Wir müssen miteinander sprechen, mahnte Frau Högger, denn das Elend ist auch hinter der Wohnungstür des Nachbarn. Es sei erschreckend, wie viel Angst in den Menschen wohne, die die Neiddiskussion und der Kriminalitäts-Generalverdacht der Asylbewerber noch schüre. Solidarität mit den Flüchtlingen zu zeigen, forderte Frau Högger mit Nachdruck: In Greiz ist genügend Raum für Kommunikation.

Pfarrer Michael Riedel verlas im Anschluss einen Brief der Greizer Landrätin Martina Schweinsburg (CDU), den sie an alle Greizer Bürger, insbesondere die Pohlitzer richtete. Mit Entsetzen und Fassungslosigkeit beobachte sie die sich jeden Freitag wiederholenden Demonstrationen: Da reisen „Touristen“ aus politisch extremen Lagern von außerhalb an, um hier ihre Feindbilder zu pflegen und Werbung für sich und ihre teilweise sehr kruden Weltanschauungen zu machen. Sie binden enorme Kräfte und verschaffen sich in den Medien eine Aufmerksamkeit, die unserer Kreisstadt Greiz in der Öffentlichkeit und bei willkommenden Gästen nicht gut tut.

Frau Schweinsburg ging in ihrem Schreiben noch einmal auf die Chronologie der Ereignisse ein: Am 6. September habe sie die dringende Bitte des Freistaates Thüringen erreicht, schnellstmöglich syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Auf die Schnelle sei nur das leer stehende Berufsschulinternat in Frage gekommen; innerhalb von vier Tagen hätten Mitarbeiter des Landratsamtes dieses hergerichtet, um den syrischen Kriegsflüchtlingen, die einen von der UNO sanktionierten Sonderstatus genießen, eine Unterkunft zu bieten. Diese sogenannten Kontingentflüchtlinge müssen keine aufwändigen Asylbewerberverfahren mehr durchlaufen und der Aufenthalt in Gemeinschaftsunterkünften dauere in der Regel nur vier bis sechs Wochen. Für diesen überschaubaren Zeitraum habe sie die Unterbringung auf dem Zaschberg für vertretbar gehalten. Perplex sei sie gewesen, als sie erfuhr, dass der Thüringer Flüchtlingsrat in einer Pressemitteilung bereits Stimmung gegen das Greizer Heim gemacht hatte, weil die Flüchtlinge angeblich nicht nach Greiz wollten. Diese Vorgehensweise war völlig deplatziert, unverantwortlich und folgenschwer, wie die prompte Anmeldung der Protestveranstaltung aus dem rechtsextremen Lager bewies, so Martina Schweinsburg. Dass es sich letztendlich um Asylbewerber ohne Sonderstatus handelte, habe man erst erfahren, als sie schon hier waren.

Doch nun frage sie sich Was können die Asylbewerber dafür? Mache es einen Unterschied, ob es sich um Flüchtlinge mit einem Sonderstatus oder um Menschen, die aus ihrer Heimat flohen, weil man sich dort die Köpfe einschlägt handelt? Möglicherweise werde die Stadt Greiz weitere Flüchtlinge aufnehmen. Das Berufsschulinternat werde dennoch abgerissen, wie es im vom Kreistag beschlossenen Doppelhaushalt 2013/14 vorgesehen sei. Der Zaschberg bleibt als Unterkunft für Asylbewerber eine zeitlich begrenzte Lösung.
Sorgen mache sich die Landrätin allerdings, dass die Stadt Greiz auf Dauer Schaden nimmt, wenn die Perle des Vogtlands von Polithasardeuren der extremen Lager weiter als Wahlkampfarena missbraucht wird. Was ist passiert mit unserer Park-und Schlossstadt, mit unserem Lebensgefühl und unserer Kultur, wenn 56 Ausländer mehr dazu führen, dass sich Nachbarn nicht mehr grüßen, weil der eine den anderen mit Linken oder Rechten im Gespräch gesehen hat? Verständnis habe sie durchaus dafür, dass sich die Pohlitzer überrumpelt und allein gelassen mit dieser Situation gefühlt haben. Die Landrätin bat dafür um Verständnis, sie habe in der Kürze der Zeit mit formellen und organisatorischen Vorbereitungen der Aufnahme voll zu tun gehabt. Dankbar sei sie den Christen der Stadt, dass man sich an diesem Freitag wieder zum gemeinsamen Friedensgebet versammelt habe, um ein wichtiges Zeichen zu setzen. Entwickeln wir eine Willkommenskultur offen, tolerant und selbstbewusst. Bilden wir eine Allianz für Greiz!

Antje-Gesine Marsch @18.10.2013

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