Figuren entwickelten EigenlebenVolker Müller muss auch zahlreiche Fragen der Interessierten beantworten

Der Name des Greizer Lyrikers Günter Ullmann (1946-2009) spielte in dieser Woche im Literaturschaffen bereits zum zweiten Mal eine bedeutende Rolle.

Nachdem Udo Scheer am Montag die Ullmann-Biografie „Die Sonne hat vier Ecken“ vorstellte, widmet der Greizer Autor Volker Müller sein jüngst erschienenes Buch Kormorane ebenfalls seinem langjährigen Freund Günter.

GREIZ. Die Insel Lüttebaaken und die Stadt Makutona wird der geneigte Leser vergeblich auf der Landkarte suchen. Es sind rätselhafte und doch irgendwie vertraut anmutende Orte. Die auch als Seeraben bezeichneten Wasservögel „Kormorane“ dienten dem vor wenigen Tagen im Thüringen UND-Verlag erschienen Band des Greizer Autors Volker Müller als Namensgeber. Zahlreiche Gäste erlebten am Donnerstagabend im Bücherwurm die Vorpremiere, bevor der Band Mitte März auf der Leipziger Buchmesse offiziell präsentiert wird. Volker Müller in Greiz vorzustellen, hieße Eulen auf das Obere Schloss zu tragen; seit vielen Jahren hat sich der 1952 Geborene in der Region nicht nur als freier Journalist und Musik- und Theaterkritiker, sondern auch als Autor verschiedener Publikationen, eines Prosabandes sowie zweier Theaterstücke einen Namen gemacht. Wen wundert’s, dass die Figuren aus Müllers Band allesamt aus dem Milieu Journalistik, Theater, Literatur und Musik stammen. Müller selbst hatte zu DDR- und Nachwendezeiten in diesen Bereichen selbst zahlreiche Erfahrungen sammeln können.
Die Figuren seien „widersprüchlich wie das Leben selbst“, oft „einsilbig“, aber auch „schwadronierend“, wie Verleger Friedhelm Berger meinte. So trifft man beispielsweise zwei zur Naturbetrachtung verurteilte Theaterleute (Kormorane) oder einen Redakteur, der auf seiner Trauminsel in eine tiefe Lethargie verfällt und sein Glück schließlich im Nichtstun findet (Wolken). ähnlichkeiten des Autors mit Personen der Erzählungen lehnt dieser kategorisch ab: „Ich komme im Buch überhaupt nicht vor.“ Müller habe, so Berger, mittels „raffinierter Müllerscher Verschlüsslungstechnik“ die Protagonisten derart verändert, dass sie sich mitunter selbst nicht mehr erkennen würden. „Die Hälfte der Figuren entwickelte im Laufe des Schreibens ein Eigenleben“, wie Müller lächelnd gestand. Zwei der 16 Erzählungen des in vier Abteilungen gegliederten Bandes seien bereits Ende der 1990er Jahre entstanden, andere etwa vier oder fünf Jahre alt.
Dabei dauere das Schreiben einer Erzählung „im Gerüst“ im Grunde nur eine kurze Zeit; das „Liegenlassen“ bis zur Zufriedenheit des Verfassers dagegen könne dauern. Prof. Edwin Kratschmer, einer der angesehensten Literaturwissenschaftler des Landes, war auch unter den Gästen. „Kunst ist etwas Abenteuerliches“, wie er sich an Volker Müller wandte. Sie sei das „Dokument eines Menschen“. Umso mehr freue er sich, Müller endlich persönlich kennenzulernen. Friedhelm Berger bezeichnete das Buch als hochsensiblen Band mit Tiefgang abseits des Mainstreams. „Es ist ein gutes Buch“. Die Veranstaltung wurde von Robert Ackermann, einem Jenaer Künstler mit Impressionen auf der Klarinette ausgestaltet. Dass sich an dieser Stelle der Kreis schloss, schien wohl beabsichtigt. War Volker Müller doch selbst einige Jahre als Klarinettist im Sinfonieorchester musikalisch tätig.

Antje-Gesine Marsch @09.03.2012