Ernst Arnold, ein großer Wohltäter der Stadt GreizErnst Arnold (1841-1893) war nicht nur ein Greizer Fabrikant, sondern auch ein großer Wohltäter, der eine Vielzahl sozialer Einrichtungen auf den Weg brachte. Archiv: Wolfgang F. Arnold

Ernst Arnold gründete in Greiz ein Vielzahl wohltätiger Einrichtungen

GREIZ. Greiz, die Hauptstadt unseres Fürstentums ist eine über die Grenzen des Vaterlandes hinaus bekannte Fabrikstadt. Unter den Männern, welche die Hohe Blüte ihrer Wollwarenindustrie herbeigeführt haben, nimmt Ernst Arnold einen Ehrenplatz ein.
Als im Jahre 1836 der mittellose Weber Friedrich Arnold als Faktor sich selbstständig machte, ahnte er wohl nicht, dass sein kleines Geschäft sich zu einem der bedeutendsten Handelshäuser seiner Vaterstadt entwickeln werde.
Gott segnete den Fleiß des schlichten Mannes so, dass er mit seinem redlich erworbenen Gute größere Unternehmungen wagen und mit eigener Ware die Messen zu Leipzig, Frankfurt a. d. O. und Braunschweig besuchen konnte.
Der älteste Sohn des Begründers, Ernst Arnold, wurde bald die Seele des Geschäfts. Diesem klugen, tatkräftigen und weitschauenden jungen Kaufmanne genügte bald der Umfang der Tätigkeit nicht mehr, sein Unternehmungsgeist steckte sich höhere Ziele. Erst vorsichtig wägend, dann mutig wagend, war er stetig auf die Erweiterung des Absatzgebiets bedacht. Das gelang ihm in außergewöhnlichem Maße, besonders als nach dem glücklichen Ausgang des deutsch-französischen Krieges das deutsche Wollwarengeschäft einen ungeahnten Aufschwung nahm.
In seinem arbeitsreichen Leben fand er immer noch Zeit, als ein leuchtendes Vorbild werktätiger Nächstenliebe an den allgemeinen Wohlfahrtsbestrebungen sich tatkrätig zu beteiligen. Er ließ sich gern finden von denen, die der Hilfe bedurften und suchte die unverschuldete Not auch auf, wo sie sich verschämt verbarg. Was er gab, das gab er von ganzem Herzen und ließ die Linke gar oft nicht wissen, was die Rechte tat. Er gab gut beanlagten, strebsamen Handwerkslehrlingen die Mittel zu einer besseren Ausbildung, gewährte mittellosen Studenten namhafte Unterstützungen, ermöglichte braven Handwerkern die Gründung eines eigenen Geschäfts oder die Erwerbung eines eigenen Heims.
Wie er ein mitfühlendes Herz für die Armut des Einzelnen hatte, so machte er auch größere Stiftungen zum Besten der gesamten Bürgerschaft. Er erwarb in der Marienstraße ein Haus mit anstoßendem geräumigen Garten und bestimmte davon einen Teil zur Aufnahme einer Krippe, in der Kinder im Alter von 6 Wochen bis 2½ Jahren den Tag über versorgt werden sollten; die übrigen Räume überließ er dem Verein „Knabenhort“, der darin eine Beschäftigungsanstalt für Knaben – einen Knabenhort – errichten. Ein Hausvater überwachte und beschäftigte hier zunächst 40 Knaben in den schulfreien Stunden des Tages. Als sich bald das Bedürfnis einer Vergrößerung fühlbar machte, gewährte Frau Lina Arnold die nötigen Mittel, um ein eigenes stattliches und zweckmäßig eingerichtetes Gebäude für den Knabenhort zu bauen. Infolgedessen stieg die Zahl der Zöglinge Ostern 1903 auf 140. Jeder erledigte zunächst seine Schulaufgaben und findet dann in der Werkstatt an Hobel- und Schnitzbänken oder an den langen Tischen der drei großen Arbeitszimmer Gelegenheit zur Ausbildung in allerlei Handfertigkeiten. Im Sommer arbeiten die Knaben im sonnig gelegenen Garten.
Eine weitere Stiftung zum Wohle der Kinder, der „Ernst und Lina Kinderstiftung“ (mit einem Stiftungskapital von 310 000 Mark) verdankt das i.J. 1897 eingeweihte Kinderheim seine Entstehung. In ihm finden täglich etwa 60 Kinder im Alter von 2½ bis 6 Jahren unter der Obhut einer geprüften Kindergärtnerin liebevolle Pflege und Förderung.
Arnolds bedeutendstes Lebenswerk ist das „Ernst und Lisa Arnold-Stift“. Für dieses bestimmte er das sogenannte Müllersche Gut am Roth und stiftete zur Ausführung des Baues eine Million Mark. Hier sollten hundert alte Leute Wohnung und Verpflegung finden. Den Bau der Anstalt übernahm auf seinen Wunsch die Stadt Greiz, in deren Besitz sie auch überging. Auf sonniger Höhe gelegen, von schönen Parkanlagen umgeben, erhebt sich der stattliche Bau. Seine Hauptzierde bildet die Kapelle. Die Pfleglinge erhalten in dem Stift ein schöneres Heim, als die meisten bisher besessen haben. Neben vorzüglicher Verpflegung haben sie wohl eingerichtete, helle und gemütliche Zimmer. Breite Wandelgänge mit bequemen Ruhebänken bieten bei ungünstigem Wetter angenehmen Aufenthalt. Bei den gemeinschaftlichen Mahlzeiten und bei den täglichen Hausandachten finden sich sämtliche Bewohner des Stifts in dem behaglich ausgestatteten Speisesaal zusammen.
Außer diesen Stiftungen überwies Ernst Arnold durch letztwillige Verfügung seiner Vaterstadt Greiz ein Kapital von 250 000 Mark, aus dessen Zinsertrag befähigten und gut bezeugten jungen Leuten aus Greiz den Besuch hiesiger Schulen wie auch später der Universität oder einer anderen höheren Bildungsanstalt ermöglicht werden soll. Ein Vermächtnis von 750 000 Mark konnte als Lohn der Treue und des Verdienstes unter alle Beamten und Arbeiter verteilt werden, die mindestens zehn Jahre im Hause „Friedrich Arnold“ tätig gewesen waren.
Am 28. Januar 1893 ist Ernst Arnold, von den Seinen beweint, von der ganzen Stadt betrauert, in seinem zweiundfünfzigsten Lebensjahre von uns geschieden.

O.Seifert

Quelle: Greizer Lesebuch (ca. 1897 bis 2013 erschienen), I. Erbauliches und Beschauliches

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