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Seelenkunde gegen den Menschen

Dr. Holger Richter referiert in Greizer Bibliothek über die "operative Psychologie" der Staatssicherheit

Vor überaus zahlreichen Gästen referierte der Dresdner Psychologe Dr. Holger Richter in der Greizer Bibliothek zum Thema »Die operative Psychologie des Ministeriums für Staatssicherheit in der DDR.

Dr. Holger Richter referiert in Greizer Bibliothek über die „operative Psychologie“ der Staatssicherheit

GREIZ. Dass die Thematik Staatssicherheit in all ihren Facetten in den Köpfen der Menschen noch lange nicht aufgearbeitet ist, zeigte das überwältigende Interesse an der Veranstaltung „Operative Psychologie des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR“, die am Donnerstagabend in der Greizer Bibliothek stattfand. Dr. Holger Richter, Leitender Psychologe des St.-Marien-Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Dresden promovierte im Jahre 2000 über dieses Thema und brachte zudem ein Sachbuch heraus. Psychologie als Lehre vom Verhalten des Menschen sei bereits seit dem Altertum bekannt, als Wissenschaft jedoch erst im 19. Jahrhundert begründet und im 20. Jahrhundert missbraucht. „Sie diente in der DDR dem Ministerium für Staatssicherheit zur Aufrechterhaltung der SED-Herrschaft und ging letztlich bis zum Angriff auf die Seele von Menschen, die als Feinde eingestuft wurden“, so Dr. Richter.

Die wenigsten wussten wohl, dass die Stasi einen eigenen Lehrstuhl an der „Geheimdiensthochschule“, der Juristischen Hochschule Potsdam hatte, an der zwischen 1965 und 1989 3300 Personen den Abschluss als Diplomjurist und 347 den Doktorgrad erhielten. Die Einrichtung unterstand der Hauptabteilung Kader und Schulung und blieb der Öffentlichkeit weitestgehend verborgen, da sie konspirativ abgeschirmt wurde. Auch im offiziellen Hochschulverzeichnis fehlte sie; ebenso konnte man die eingereichten Dissertationen in den öffentlichen Bibliotheken nicht finden.“Hinter der JHS verbarg sich also weder eine Ausbildungs- noch eine rechtswissenschaftliche Forschungsstätte“, so Holger Richter. Dabei die dort gelehrte operative Psychologie als Wissenschaft zu bezeichnen, versetze ihn in Zwiespalt, weil diese Art von Seelenkunde gegen den Menschen gerichtet war. So habe er den wissenschaftlichen Anspruch hinterfragt und dazu unter anderem 4000 Diplomarbeiten ausgewertet. Inhaltlich ging es dabei besonders um die Zersetzung« von Feinden. Erkenntnisse der Sozial-und Arbeitspsychologie fanden Verwendung, um die Menschen seelisch zu zerbrechen. Die von Richter zitierten Texte zeigten erschreckend klar eine totalitäre Macht- und Rechtsauffassung.

Dabei gelang es ihm aber, die sprachlichen Übertreibungen der Rolle der Psychologie für die Staatssicherheit zu entkräften. Die klinische Psychologie sei nach seiner Erkenntnis völlig vernachlässigt worden. Zudem waren der überwiegende Teil der Lehrer keine ausgebildeten Psychologen, ihre Lehre fußte eher auf die Theorie der Pawlowschen Reflexe, nämlich, dass ein Mensch unter bestimmten Voraussetzungen steuerbar sei. Die Psychologie als Seelenkunde, die im Grunde dem Menschen dient, kehrte sich somit gegen den Menschen um. Das wäre auch passiert, wenn wir keine Psychologie gemacht hätten. Wenn Sie jemand ärgern wollen, dann wissen Sie, wie Sie das machen … So erklär“ ich mir vieles, was so passiert ist, also wie kann ich jemand ärgern. Dabei ist die Kreativität von uns Menschen unwahrscheinlich groß.« Dieses Zitat eines „operativen Psychologen“ stellte Dr. Richter an den Schluss seiner Ausführungen.

Antje-Gesine Marsch @ 26.01.2012

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