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Die DDR – ein fremdes Land?

Die DDR - ein fremdes Land?

Neuntklässler des Greizer Gymnasiums erlebten eine Geschichtsstunde der besonderen Art: Uwe Hillmer referierte über eine Studie, die die DDR als Sozialparadies bzw. Stasi-Staat darstellt.

Soziales Paradies oder Stasi-Staat? Das DDR-Bild von Schülern – ein Ost-West-Vergleich. Interessante Schulstunde im Ulf-Merbold-Gymnasium mit Uwe Hillmer
GREIZ. Eine Geschichtsstunde der besonderen Art erlebten am Mittwochvormittag die neunten Klassen des Ulf-Merbold-Gymnasiums. Uwe Hillmer, Mitarbeiter im Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin stellte die wesentlichen Ergebnisse einer breit angelegten Befragung von Schülern aus vier Ländern – Bayern, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen – vor, die sich mit den Lebensverhältnissen in der DDR auseinandersetzte. Mittels Fragebogen und hunderten von Interviews verschaffte man sich einen Überblick über das Bild, das Ost-, als auch Westschüler von der DDR besitzen. Mittlerweile hat das nicht nur mit den Eltern, sondern vor allem den Großeltern zu tun, wie Hillmer ausführte. Im Vorfeld der Studie hatte man die Vermutung geäußert, dass die Schüler wahrscheinlich recht wenig zum Thema wissen. Die Vermutung wurde bestätigt, so Hillmer. Gestellte Wissensfragen konnten die wenigsten beantworten, selbst wenn die Thematik kurz zuvor im Unterricht behandelt wurde. Das Wissen war oft nur relevant für Leistungskontrollen. Doch verschwieg der Forscher auch nicht, dass diese Ergebnisse für die Mehrheit der Deutschen also nicht nur die Schüler gelte. So gebe es etwa den Irrtum, die Staatssicherheit sei das Machtzentrum der DDR gewesen. Grundfalsch, so Hillmer. Wie die führende Partei der DDR hieß, wussten die Greizer Neuntklässler. Auch, wann die Mauer, der sogenannte antifaschistische Schutzwall gebaut wurde, war den Schülern bekannt. Die Grenzfrage sei bei der Befragung inhaltlich auch gestellt worden, erklärte Hillmer. Die Was war in der DDR besser, schlechter, gleich?-Frage wurde von den Gymnasiasten ebenso beantwortet. Die Lösungen der Schüler lauteten, dass es weniger Arbeitslose gegeben hätte, die Eisenbahn sei besser gewesen, ebenso die Disziplin der Schüler. Besser schien auch die Subvention der Mieten und Kindergartenplätze. Als schlecht wurde eingeschätzt, dass es keine Bananen gab, dass die Stasi die Leute abgehört habe, dass es keine Meinungs-und Reisefreiheit gab. In Auswertung der ausgewerteten Schülerstudie sei primär aufgefallen, dass die Schüler zum großen Teil nicht in der Lage waren, zwischen Diktatur und Demokratie zu differenzieren, erklärte Hillmer den aufmerksamen Schülern.
Dabei wurde ebenso deutlich, dass das Geschichtsbewusstsein – bezogen auf das geteilte Deutschland – vor allem durch einen spezifischen Ost- bzw. Westblick geprägt ist. Die Ergebnisse der Studie sollen anregen, sich dringend über die Notwendigkeit der   Vergangenheitsaufarbeitung auseinanderzusetzen. Außerdem zeigen sie, wo die Defizite der bisherigen Beschäftigung mit dem geteilten Deutschland liegen, wie Uwe Hillmer abschließend sagte. Es gebe wohl kaum eine Epoche deutscher Geschichte, über die es eine größere Anzahl Bücher gibt. Doch stehe die gesellschaftliche Aufarbeitung irgendwie am Nullpunkt, so Hillmer. Doch brach er für die Jugendlichen eine Lanze: Wenn man hört, was die Eltern oder Großeltern über die DDR reden und alles im Nachhinein verniedlicht wird, ist es geradezu klar, dass die Schüler dies einfach nachreden.
Die Veranstaltung wurde gemeinsam von der Stasi-Unterlagenbehörde, der Greizer Bibliothek und dem Ulf-Merbold-Gymnasium Greiz organisiert.

Antje-Gesine Marsch @06.06.2012

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