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Nicki Pawlow stellt autobiografisches Buch vor

Nicki Pawlow stellt autobiografisches Buch vor

Nicki Pawlow liest aus ihrem Band "Der bulgarische Arzt".

Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Greizer Bibliothek
GREIZ. „Das Buch ist keine Abrechnung, sondern in Liebe geschrieben“, betonte Nicki Pawlow am Montagabend, als sie in der Bibliothek aus ihrem 2014 erschienen Band „Der bulgarische Arzt“ las. MdL Christian Tischner (CDU), der als Moderator der von der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten Lesung fungierte, bezeichnete den Roman als „außergewöhnliche Familiengeschichte“ und stellte die Autorin zunächst vor: Nicki Pawlow wurde 1964 in Köthen als Tochter einer deutschen Mutter und eines bulgarischen Vaters geboren, wuchs in Thüringen auf. Im Jahr 1977 flüchtete die Familie in den Westen. Frau Pawlow legte in München 1983 das Abitur ab, studierte Politikwissenschaft, slawische Philologie und Neuere Geschichte in München und Berlin, und arbeitete als Pressesprecherin, Redakteurin und Drehbuchautorin. Heute lebt Nicki Pawlow als freie Schriftstellerin in Berlin. „Für mich ist Thüringen etwas ganz besonderes“, gestand die sympathische Frau zu Beginn der Lesung. Die schönen Landschaften würden ihr „das Herz öffnen“. Als ihre Familie in die BRD flüchtete, habe sie sich als „Entwurzelte“ gefühlt. Alles hatte die Dreizehnjährige hier zurücklassen müssen – den ersten Freund, den Hund, die Spielsachen. Für sie sei das Schwabenland „so fern wie Afrika“ gewesen – sie und ihre Eltern galten als Exoten, erinnert sie sich.
Der Band ist autobiografisch inspiriert und der Figur ihres Vaters nachempfunden: Die Kinder-und Jugendzeit von Wantscho Nikolow – wie er im Buch heißt – in Bulgarien; die Liebe zu Rose, einem deutschen Mädchen, das er heiratet und mit dem er in die DDR geht, die Geburt der Tochter und die Flucht in den Westen, wo er als Arzt und Psychiater tätig ist. Im Buch macht sich Tochter Nelly auf Spurensuche. Nicki Pawlow las einige Passagen des Bandes vor, so etwa aus der Kinderzeit ihres Vaters. Wantscho war durch ein von Kinderlähmung verkürztes Bein gehandicapt. Als er anfing Violine zu spielen, stellte sich bald heraus, dass er ein hochbegabtes Kind war, das nach einmaligem Spiel das Stück auswendig interpretieren konnte und das absolute Gehör besaß. Sein größter Wunsch war es, später einmal als Dirigent vor einem großen Orchester zu stehen. Mit harten und verletzenden Worten machte ihm der Vater klar, dass dies aufgrund seiner Behinderung niemals Realität werden könne. Die Geige rührte Wantscho daraufhin nie wieder an.
Er wurde Arzt und kam Anfang der 1960er in die DDR, lernt seine spätere Frau kennen, die ihm in das fremde Bulgarien folgte. Doch kam sie mit dem Leben in dem armen Land nicht zurecht – so kehrte das Ehepaar in die DDR zurück und baute sich in Thüringen, gemeinsam mit der 1964 geborenen Tochter ein Leben auf. Was keiner ahnte: „Mein Vater hatte zwei Gesichter“, so Nicki Pawlow. Das eine gehörte dem Arzt, der sich für seine Patienten aufopferte und dafür von ihnen schier vergöttert wurde; das andere war geprägt von Jähzorn, dem Hang zu Alkohol und Medikamenten. „Auf der einen Seite war er eine Lichtgestalt, auf der anderen labil“, erinnert sich die Tochter. Als er dem Drängen, die DDR-Staatsbürgerschaft anzunehmen und Mitglied der SED zu werden, nicht nachkam, wurden die Repressalien in der Klinik immer größer. „Erst verlor er seine Station; die Approbation sollte ihm aberkannt werden“, begründete Nicki Pawlow die Entscheidung der Eltern, der DDR den Rücken zu kehren. Die gefahrvolle Flucht über Jugoslawien schildert Nicki Pawlow ebenso in einer spannenden Passage ihres Buches. Auch Heiteres trug die Autorin vor, etwa, dass der Kopf ihres Vaters das Modell der Karl-Marx-Büste war, die 35 Jahre lang im Haus des Lehrers auf dem Berliner Alexanderplatz stand. Rüdiger Kalmhäuser, der diese Büste schuf, hatte den Arzt auf einer „Künstlerfete“ einfach angesprochen. Resümierend stellte Nicki Pawlow fest, dass es frappierend war, dass ihr Vater mit psychisch Kranken so erfolgreich arbeitete, aber seine eigene Psyche nicht näher ansehen konnte. Das sei das Drama seines Lebens gewesen.„Dass ich auf die Suche nach meinem Vater ging, hat mich emotional reicher und freier gemacht“, gestand die Autorin, die sich vor dem Tod des Vaters im Jahr 2007 mit ihm versöhnen und ihren inneren Frieden finden konnte. „Das Schreiben hat mir sehr geholfen, das Leben meines Vaters zu begreifen.“

Antje-Gesine Marsch @24.03.2015

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