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AfD-Chef: „Denken Sie am 14.9. daran!“

Bernd Lucke erhält zum Schluss seiner Rede in der Greizer Friedensbrücke Standing ovations

Prof. Bernd Lucke in der Friedensbrücke Greiz
Bärbel Kowsky, Kandidatin der AfD für den Thüringer Landtag übergibt ein Webschiffchen an Prof. Lucke
Foto: Torsten Röder
GREIZ. In Greiz gibt sich aktuell die Politprominenz die Klinke in die Hand. Nach Lieberknecht und Voß (beide CDU), Taubert (SPD) und Ramelow sollen noch Gysi (beide LINKE) und angeblich auch Seehofer (CSU) kommen. Greiz muss wirklich wahlentscheidend sein, oder? Das dachte sich vermutlich auch die „Alternative für Deutschland (AfD)“, als sie ihren Vorsitzenden, Prof. Dr. Bernd Lucke nach einem Wahlkampfauftritt in Altenburg auch für die Kreisstadt Greiz buchte. Gegen 18.30 Uhr traf der AfD-Chef in Greiz ein und wurde von der AfD-Direktkandidatin für den Wahlkreis 40, Bärbel Kowsky, herzlich begrüßt. Der AfD-Chef stand in dieser Zeit laut Planung auch für Interviews zur Verfügung. Interesse an den Ausführungen von Prof. Lucke hatten dann rund 70 Greizer, die den großen Saal der Gaststätte „Friedensbrücke“ am Samstagabend aufgesucht hatten. Zunächst begrüßte Bärbel Kowsky die Gäste und stellte sich kurz vor. Anschließend übergab sie das Wort an den AfD-Chef.

„Wir sind nicht Rechts!“
Routiniert begann Lucke seine Rede und ging in deren Verlauf auf die meisten Themen des Landtagswahlkampfes ein. Einstimmend ging er auf den Vorwurf ein, die AfD sei populistisch und schüre Vorbehalte gegen Ausländer. „Wir sind nicht Rechts!“ griff Lucke einen immer wieder erhobenen Medienvorwurf der Nähe zu NPD-Positionen auf. Er verwies darauf, dass die CDU (deren Mitglied er über Jahrzehnte war) immer mehr konservative Positionen aufgegeben und sich der SPD bis zur Profillosigkeit angenähert habe. „Wenn wir solche konservativen Positionen beibehalten, stehen wir sicher rechts von der CDU. Da die aber nach links gerückt ist, stehen wir eigentlich in der Mitte“ bemühte Lucke das althergebrachte rechts-links-Schema, was er übrigens ablehnt. Er verwies darauf, dass die CDU die Totschlagkeule „rechts“ inzwischen auch kaum noch verwendet. „Inzwischen bezeichnet man uns im CDU-Jargon als rückwärtsgewandt“ amüsierte sich Lucke über diesen Wechsel in der Außenkommunikation. „Wenn wir rückwärtsgewandt sind, dann darf man der CDU ein Kompliment machen und sie als sehr gewandt bezeichnen“, so Lucke. Er zählte zahlreiche Beispiele wie Atomkraft, Mindestlohn oder Wehrpflicht auf, bei denen die CDU gewandt frühere Positionen aufgegeben habe. „Manchmal mutet das schon fast ‚wendehälsisch‘ an“, schmunzelte Lucke mit Blick auf das Jahr 1989 und erntete Gelächter aus dem Saal.

Gilt heute schon wieder „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“?
Im Verlauf des Abends nahm Bernd Lucke nahezu jedes Politfeld auseinander und zeigte auf, welche Position die „Altparteien“ und welche die AfD dazu einnehmen. Er verglich neun Merkmale der DDR mit aktuellen Erscheinungen in unserem Land. „Die Medien schreiben bei so etwas immer, ich setze gleich. Das tue ich nicht, die DDR war kein Rechtsstaat wie dies – bei allen Unzulänglichkeiten – die BRD ist. Aber Vergleiche, der Abgleich von Ursachen oder Wirkungen, die sind legitim“, so Lucke. Er mahnte vor allem eine gesunde Kritikfähigkeit und Veränderungsbereitschaft an. „Hier haben wir bereits ein Stadium der DDR erreicht, so nach dem Motto ´Vorwärts immer, rückwärts nimmer´. Wo das hingeführt hat, wissen wir alle. Politiker müssen in der Lage sein, Fehler zuzugeben und diese auch zu korrigieren“, rief Lucke den Gästen zu und erhielt dafür Beifall.

„Zuwanderung ist nicht per se ein Vorteil“
In nahezu jedem Politikfeld sezierte Bernd Lucke verbal die bisherigen Geisteshaltungen der von ihm als „Altparteien“ bezeichneten Akteure und deren daraus resultierend getroffenen politischen Entscheidungen. Die AfD habe nichts gegen Randgruppen, meinte er zum Beispiel. Man habe aber sehr wohl etwas dagegen, wenn Randgruppen zur neuen Norm erhoben werden sollen. Er zitierte auch einen Ausländerbeauftragten der CDU, wonach Zuwanderung immer von Vorteil sei. „Das sehen Menschen, die Opfer von Straftaten in Zusammenhang mit Ausländern geworden sind, ganz sicher anders“, meinte Lucke unter starkem Beifall. Er fuhr fort: „Angesichts unserer Demografie brauchen wir ohne Frage Zuwanderung. Aber nicht jede Zuwanderung ist per se von Vorteil. Wer unser Gastrecht missbraucht oder unsere Kultur ablehnt, bringt uns keinen Vorteil.“ Beim Themenblock Bildung wurde Lucke sehr engagiert. „Bildung ist unser wichtigstes Gut. Die AfD steht hier nicht für Experimente, sondern für bewährtes. Wir bereiten Kinder auf eine Leistungsgesellschaft vor, also benötigen Kinder auch den Umgang mit Leistungsbeurteilungen. Noten sind nichts Schlimmes. Ich glaube, niemanden hier im Raum haben Noten ab der ersten Klasse geschadet“, brachte der Professor eines seiner offenkundigen Lieblingsthemen an den Mann und erntete dafür starken Applaus.

„Denken Sie daran, wenn Sie am 14.09. Ihr Kreuz machen!“
Die Wahlwerbung für seine Partei brachte Lucke dabei sehr subtil unter. Nachdem er in jedem Themenblock Fehlentwicklungen aufgezeigt hatte, wandte er sich jedes Mal an die Zuhörer mit der Frage: „Und wer hat uns die ganze Chose eingebrockt?“, um dann nach einer Pause augen-zwinkernd fortzufahren „Denken Sie daran, wenn Sie am 14.09. Ihr Kreuz machen.“ Schon nach dem dritten Themenblock rief die Wiederholung dieses Wortspiels bei den Zuschauern ein Schmunzeln hervor.

Standing ovations nach Vortrag und Fragerunde
Nach seinem fast 90-minütigem Vortrag erhielt Lucke von den Anwesenden stehenden Applaus. Anschließend bestand die Möglichkeit zu Fragestellungen. Fast Greiz-typisch gab es zunächst keine Wortmeldungen. „Wie, will mich hier gar keiner wegen meiner Haltung zur Ukraine fragen? Das wäre ja die erste Wahlveranstaltung, wo das passiert“, meinte Bernd Lucke lachend unter Anspielung auf seine, auch parteiintern nicht unumstrittene Entscheidung für die EU-Resolution gegen Russland. Damit war der Draht hergestellt und es meldeten sich verschiedene Gäste, so unter anderem Unternehmensberater Thomas Stich und Unternehmer Klaus-Dieter Geyer, der als gebürtiger Thüringer ein Unternehmen in Sachsen betreibt. Geyer bezog sich auf den Vortrag von Lucke, wonach ein gesunder Mittelstand die Basis wirtschaftlichen Erfolges einer Region sei. Geyer meinte, der Zug sei abgefahren: „Die wirklich guten Leute sind schon abgewandert, weil sie woanders ihren Fähigkeiten entsprechend besser bezahlt werden können.“ Bernd Lucke widersprach dem vehement. „Das sehe ich nicht so. Klar hat z.B. Baden-Württemberg eine gewachsene Struktur mit einem innovativen und starken Mittelstand und ein anderes Lohnniveau. Aber auch heute noch gibt es Ausbildungs- und Studienabsolventen, die für sich eine Lebensperspektive suchen. Warum nicht die Übernahme eines kleinen, aber ertragreichen Betriebes hier in Thüringen? Sie haben hier so schöne Landschaften, nach dem Aufbau Ost gibt es im Westen deutlich hässlichere Städte. Werben Sie doch damit, dass sich – im Gegensatz zu Stuttgart oder München – junge Menschen Haus und Hof für einen Bruchteil des Kapitals leisten können. Kinderbetreuung ist hier auch weniger ein Thema als in den alten Bundesländern. Auch in Ba-Wü haben heutige Weltmarktführer mal ganz klein angefangen. Innovativ sind auch die Thüringer, dafür müssen sie nicht weggehen“, zeigte sich Lucke von der schlummernden Wirtschaftskraft im grünen Herzen Deutschlands überzeugt.

Weberschütze und „Unner Gräzer“ als Abschiedsgeschenk
Zum Schluss der Veranstaltung bedankte sich Bärbel Kowsky sehr herzlich bei Prof. Dr. Bernd Lucke und meinte: „Greiz hatte einen sehr guten Ruf in der Textilindustrie und war einmal eine reiche Stadt. Bekannt wurden unsere Leistungen unter dem Slogan „Was Greiz gewebt, was Greiz gefärbt, das hält, bis es der Enkel erbt“. In diesem Sinne möchte ich Ihnen ein Abschiedsgeschenk überreichen, dass Sie an uns erinnert.“ Sie überreichte Lucke einen Schützen aus einer Webmaschine. Dann zauberte sie unter dem Tisch noch eine Flasche hervor und meinte: „Falls Ihnen mal etwas auf den Magen schlägt, auch dafür haben wir in Greiz etwas zu bieten“, während sie ihm einen Kräuterlikör „Unner Gräzer“ überreichte. Bernd Lucke bedankte sich herzlich bei ihr und den Besuchern für den angenehmen Abend.
Torsten Röder @31.08.2014

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