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Abend ohne Überschrift: Zum Gedenken an Günter Ullmann

Abend ohne Überschrift: Zum Gedenken an Günter Ullmann

Sie gestalteten gemeinsam den Günter-Ullmann-Gedenkabend: v.l. Rudolf Kuhl, Hermann Losch, Harald Seidel, Volker Müller und Wilfried Pucher.

Literarisch-musikalische Veranstaltung erinnert an den Greizer Lyriker Günter Ullmann, der am 4. August 70 Jahre alt geworden wäre

GREIZ. Als „Abend ohne Überschrift“ bezeichnete Harald Seidel am Dienstag die Gedenkveranstaltung für Günter Ullmann im Weißen Saal des Unteren Schlosses. Der Greizer Lyriker wäre am 4. August 70 Jahre alt geworden. Geboren im Jahr 1946; in einem „Privilegium aus Liebe“, wie er es einst nannte aufgewachsen, ist es bald die moderne Musik, die den jungen Ullmann umtreibt. Die Laube im elterlichen Garten auf dem Hainberg wird zum Musikstudio. Mit seinen Kumpeln Schotte (Harald Seidel) und Ruby (Rudolf Kuhl) beginnt eine aufregende Zeit. Auch politisch zeigt sich Ullmann interessiert, erlebt Ende der 1960er Jahre den Einmarsch der sowjetischen Truppen in der Tschechoslowakei und positioniert sich. Zum Studium nicht zugelassen, arbeitet er nach dem Abitur auf dem Bau. Dann die Heirat mit Geli und der Verlust der geliebten Tochter Xandra durch einen schrecklichen Unfall. Ullmann verarbeitet Trauer und Schmerz in Gedichten. Seit Mitte der 1970er Jahre befindet sich Günter Ullmann in einem „seelischen Ausnahmezustand“, wie es der Freund und Autor Udo Scheer einmal beschrieb. Die Ausbürgerung Wolf Biermanns und das „Herausekeln“ Reiner Kunzes aus der DDR beeinflussen Ullmanns Leben; ebenso die Freundschaft zu Manfred „Ibrahim“ Böhme. Die Staatssicherheit setzt ihm zu, Verdächtigungen werden zum schleichenden Gift: Aufenthalte in der Psychiatrie folgen – die Familie steht trotz Repressalien durch die Staatssicherheit der DDR zu ihm. Dann der Umbruch: Zu den Samstagsdemontrationen, die Ende 1989 auch in Greiz beginnen, schreitet Günter Ullmann in der ersten Reihe. Reiner Kunze spricht im Januar 1990 in der Greizer Stadtkirche und lobt das „Lebenswunder“. In den 1990er Jahren kommt Günter Ullmann schließlich mit sich ins Reine: Seine Gedichte, die jahrelang in der Schublade schlummerten, werden gedruckt. Greiz wird zur „Hauptstadt der Poesie“. Am 9. Mai 2009 endet das bewegende Leben des Greizer Lyrikers. Eine große Trauergemeinde folgte Ullmanns Sarg, der im Familiengrab auf dem Neuen Friedhof seine letzte Ruhe fand.

Eine Reihe von Familienangehörigen, Wegbegleitern, Freunden, Bekannten, aber auch jungen Leuten, die das Wirken Ullmanns nur aus Büchern oder Erzählungen kennen, waren am Dienstagabend gekommen. Dabei wurde weder zur Biografie des Greizers gesprochen, noch stellte man seine Verdienste in den Mittelpunkt, sondern einzig das Wort. Der Schauspieler Wilfried Pucher las Gedichte aus den verschiedenen Schaffensperioden Ullmanns. Etwa „Kindheit“, „Nachruf für Oskar Brüsewitz“, „Toleranz“, „Die Wiedergeburt der Sterne nach dem Feuerwerk“ oder „Die Sonne hat vier Ecken“.

Autor Volker Müller, den mit Ullmann eine über vierzigjährige tiefe Freundschaft verband, brachte aus seinem Band „Prominente Pilzvergiftungen“ zwei Episoden zu Gehör, die die Person Ullmanns authentisch in den Mittelpunkt rückten. Zum einen ging Müller – noch zu Lebzeiten des Lyrikers – der Frage nach: Wie groß ist der Lyriker Günter Ullmann und wie groß waren seine Repressionen? Die beiden Männer kannten sich zwar lange Zeit – waren aber stets Gegensätze geblieben, obwohl sie sich anzogen. Das manifestierte Volker Müller an einem Beispiel, als die Stadt Greiz „wieder einmal von Straßenmusikern heimgesucht“ wurde. Während Müller noch sinnierte, wo man hingekommen sei – schließlich kannte man die slowakischen, schwarzhaarigen Harmonikaspieler noch aus sozialistischen Zeiten – hatte Günter Ullmann schon die Geldbörse gezückt.

Musikalisch wurde die Lesung von Rudolf „Ruby“ Kuhl (Saxophon), Harald Losch (Klavier) und Harald Seidel (Bass) begleitet, die gekonnt jazzige Sequenzen einstreuten. Volker Müller, der früher unter anderem als Klarinettist im Staatlichen Sinfonieorchester Greiz und als Tanzmusiker tätig war – demonstrierte an diesem Abend einmal mehr, dass er das Klarinette spielen noch nicht verlernt hatte. Viele Jahre lang hatte er das Holzblasinstrument nicht angerührt; erst seitdem Enkeltochter Paula vor fünf Jahren mit Klarinettenunterricht begann, war die alte Liebe wieder erwacht.

Antje-Gesine Marsch @23.11.2016

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