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Was für ein krasser Typ…

Roman Kim

Roman Kim Foto Ira Weinrauch

Roman Kim gehört zweifellos zu den Ausnahmetalenten auf den Bühnen dieser Welt. Das Publikum reibt sich allerorts verwundert die Augen, Rezensenten schwärmen in höchsten Tönen. Doch dieser Mann, der Johann Sebastian Bach liebt und sich selbst sowohl in der Tradition Niccolò Paganinis als auch Jimi Hendrix’ sieht, ist mehr als nur Virtuose. Davon kann man sich nun erneut in zwei Konzerten mit der Vogtland Philharmonie überzeugen. Kim gastiert als Solist zu den Oktober-Sinfoniekonzerte am Freitag, 11. Oktober 2019, in der Vogtlandhalle Greiz bzw. am Mittwoch, 16. Oktober 2019, im Neuberinhaus Reichenbach jeweils um 19.30 Uhr. Tickets gibt es direkt in der Vogtlandhalle (03661 62880) bzw. im Neuberinhaus (03765 12188).

Bereits im Juli konnte Michael Pauser, Mitarbeiter der Vogtland Philharmonie, mit dem Geiger, Komponisten, Arrangeur, Tüftler und in Kürze auch Geschäftsmann Roman Kim auf einem Stopp zwischen zwei internationalen Konzertreisen in Köln sprechen:

Ich freue mich, dass Sie sich die Zeit nehmen und wir mit Ihnen unsere neue Gesprächsreihe starten dürfen. Sie kehren zwei Jahre nach Ihrem höchst umjubelten Debüt ins Vogtland zurück. Diesmal werden Sie nicht nur als Solist auftreten, sondern präsentieren dem Publikum Ihr eigenes Violinkonzert Nr. 1 – als deutsche Erstaufführung! Stimmt es, dass ein Teil dieses Werkes bei uns im Vogtland entstanden ist?

Ja. Es war kurz vor der Premiere im November 2017. Ich hatte schon viele Themen fertig, aber musste es noch zu Ende schreiben, als ich im September die Konzerte mit der Vogtland Philharmonie hatte.

Sind also gar Anregungen aus dem Vogtland in Ihr Werk eingeflossen? Ist Ihnen bei uns eine bestimmte Melodie eingefallen?

Bestimmt. Aber so genau kann ich das nicht sagen. Ich habe einfach viel daran gearbeitet in dieser Zeit.

Gab es einen Anlass für die Komposition oder war es ein inneres Bedürfnis?

Es war mein Wunsch. Danach habe ich das Werk dem Orchester in Cluj-Napoca (Klausenburg, Rumänien) angeboten, weil ich dort schon mehrfach gespielt hatte.

Wo haben Sie Anregungen bekommen?

Im 2. Klavierkonzert von Johannes Brahms. Das ist mein Lieblingskonzert – auch wenn es für Klavier komponiert wurde. Auch Sergei Prokofjew und Niccolò Paganini haben mich natürlich inspiriert.

Als ich den 3. Satz gehört habe, war meine erste Assoziation: Das klingt ja fast wie Filmmusik.

Ja. Es soll moderne Musik sein. Ich mag Filmmusik sehr – und vor allem John Williams.

Sie stammen aus einer Musikerfamilie: der Vater Trompeter, die Mutter Geigerin. War damit Ihr Weg vorgeprägt?

Ich denke ja. Es war nur die Frage ob Violine oder Trompete. Meine Mutter hat mich in Kasachstan zu einer Lehrerin gebracht. So wurde es die Violine. Als ich acht Jahre alt war, sind wir nach Moskau umgezogen, wo ich dann weiter Violine gelernt habe.

Ein anderes Instrument kam dann nicht mehr infrage?


Nein.

Sie lieben Paganini und Jimi Hendrix. Wie passt das zusammen?

Als ich elf war, wollte ich immer Paganinis Musik spielen. Sie ist sehr kreativ, voll von Energie und Virtuosität. Ich habe damals Bücher über ihn gelesen und seine Briefe. Er war immer mein Held. Warum Hendrix? Es ist eine andere Art von Musik. Aber die Musik bei Paganini war auch moderne Musik. Es ist eine Musik, die eine unglaubliche energetische Strahlung hat – und Hendrix hat neue Techniken auf der Gitarre entwickelt.

Das heißt, es ist auch eine Vorliebe für die Virtuosität bei beiden Musikern?

Auch. Denn Hendrix hat viele Dinge gemacht, die andere nicht können.

Sie Studieren jetzt hier in Köln Tonsatz. Wie kam es dazu?

Ich habe mit 19 Jahren meine erste Komposition geschrieben. Ich hatte zu dieser Zeit die traditionellen Werke gespielt. Aber ich wollte auch eigene Stücke spielen. So ist damals die Romanze in B entstanden. Das hat mich verändert und von da an wollte ich das weitermachen. Ich studiere alte Werke von Bach oder Wagner. Das finde ich sehr interessant.

War es auch der Drang eigene Stücke zu haben, die kein anderer spielt? Oder anders gefragt: Fanden Sie das vorhandene Repertoire abgenutzt?

Nein. Mir gefällt einfach das Komponieren. Es ist ein anderes Gefühl eigene Stücke zu spielen. Das will ich weiter entwickeln. Trotzdem spiele ich weiterhin traditionelles Repertoire. Früher war das normal: Giuseppe Tartini, Arcangelo Corelli, Antonio Vivaldi, Niccolò Paganini, Pablo de Sarasate, Henryk Wieniawski usw. Fritz Kreisler war dann der letzte große Geiger, der eigene Werke und Transkriptionen geschrieben hat. Solche großen Figuren gab es danach nicht mehr. Die Geiger haben alle nur die existierenden Werke gespielt. Ich möchte diese Tradition zurückbringen.

Sie treten immer als Solist in Erscheinung. Haben Sie eigentlich auch Orchestererfahrung?

Ja. In Moskau musste man im Orchester spielen und als ich nach Köln gekommen bin, habe ich in der Jungen Philharmonie Köln gespielt.

Bekommt man als Musiker, der Teil eines Orchesters ist, ein besseres Gespür für den Tonsatz und die Klangfarben eines Orchesters, als wenn man immer als Solist davor steht?

Ja. Ich denke, wenn man eine Sinfonie selbst spielt, dann lernt man die Werke ganz anders kennen. Bach hat auch bei Vivaldi gelernt, indem er seine Werke gespielt hat. Wenn ich Musik spiele, dann erkenne ich, wie andere komponiert haben und das regt einige neue Ideen bei mir an. Also es geht nicht um nachmachen oder klauen, aber die Technik wird so erlebbar.

Bleiben wir bei Ihrer Prägung: Sie wurden in Kasachstan als Sohn einer Familie mit tatarisch-weißrussisch-koreanischen Wurzeln geboren, haben in Moskau studiert und leben jetzt in Köln. Gibt es für Sie so etwas wie Heimat?

Nein. Ich fühle nicht, dass es mich nach Kasachstan oder Moskau zieht. Hier in Köln fühle ich mich etwas zu Hause. Aber ich bin ja auch viel unterwegs.

Haben Sie Sehnsucht nach einem bestimmten Ort?

Italien! Dort möchte ich einmal wohnen. Meine Lieblingsstadt ist Rom.

Aus Italien stammen ja auch viele alte Violinen, die man heutzutage auf den Konzertbühnen hört. Ihr Instrument ist allerdings weder alt noch italienisch, sondern 2015 hier in Köln von Alexander Hazin gebaut worden. Wie kam es dazu?

Ich habe anfangs alte Geigen gespielt. Aber dann habe ich begonnen mit Saiten zu experimentieren, weil mir der Klang nicht gefallen hat. Ich habe gelesen, dass Paganini Cello-Saiten benutzt hat, weil sie dicker sind und mehr Klang haben. Das wollte ich ausprobieren und habe experimentiert. Ich war sogar bei Larsen in Dänemark (Saitenhersteller, Anm. d. Red.). Ich wollte sowieso immer meine eigene Violine haben und habe sie nun seit 2015. Gleichzeitig habe ich begonnen meine eigenen Saiten zu produzieren und eröffne nun bald meine eigene Saiten-Firma.

Ihre Saiten sind also dicker?

Ja. Aber sie drücken genauso wie normale Saiten.

Wie kommt man auf solche Ideen und woher haben Sie die technischen Fähigkeiten?

Die erste Maschine habe ich selbst gebaut: Ein Holzgestell und eine Bohrmaschine, die ich mit einem Nähmaschinenpedal verbunden habe. Ich hatte zuvor ein Video gesehen, wo jemand Gitarrensaiten gebaut hat. Dann musste ich zwei Jahre lang experimentieren. Jetzt klappt es ganz gut. Ein Ingenieur hat mir nun eine richtige Maschine gebaut, die ich für die reibungslose Produktion nutzen kann.

Ein historisches Instrument kommt also nicht mehr für Sie infrage?

Doch. Aber nur die höchste Klasse wie Guarneri del Gesù oder Stradivari. Ich habe schon in vielen großen Sälen gespielt und die Leute sagen immer, dass mein Instrument sehr gut und stark klingt, fast wie mit Lautsprechern. Natürlich habe ich ein paar Extras eingebaut, sonst würde das nicht so sein. Aber diese Millionen teuren Instrumente haben irgendwie ihre eigene Magie.

Wann haben Sie begonnen, Ihre Spieltechniken zu entwickeln? Das sind ja Dinge, die man sicher nicht in der Musikschule lernt. Warum können Sie Dinge, die andere nicht können?

Das hängt alles zusammen mit den Paganini-Büchern und Hendrix oder auch mit dem, was ich von Wolfgang Amadeus Mozart gelesen habe. Ich habe mit 19 Jahren damit begonnen, als ich die „Air“ von Bach transkribiert habe.

Aber wie kommt man auf solche Ideen, z. B. einen Orchestersatz für Solo-Violine zu bearbeiten, was man dann auch physisch noch umsetzen muss?

Ich arbeite gerade an der 5. Sinfonie von Beethoven für Solo-Violine. Bei Bach wollte ich damals nur Oberstimme und Basso continuo kombinieren. Aber mein Pianist sagte aus Spaß: „Spiel doch alle Stimmen.“ Ich habe mir dann gedacht: „Warum eigentlich nicht?“ Eigentlich ist das unmöglich. Aber es geht eben doch.

Wir können nicht über den Bühnenkünstler Roman Kim sprechen, ohne die Brille zu erwähnen. Was hat es damit auf sich?

Brillen sind auch mein Ding, die habe ich selber gebaut. Ich kann mich damit besser konzentrieren: Durch die beiden Prismen stellen sich die Augen parallel, so wie beim Schlafen.

Das heißt, Sie sind fokussierter und blenden auch das Publikum ein Stückweit aus?

Nein. Das hat nichts mit dem Publikum zu tun. Es ist die Konzentration. Ich höre besser, wenn ich entspannter bin. Ich kann das nicht erklären.

Matthias Pohle
Dramaturgie & Öffentlichkeitsarbeit
Vogtland Philharmonie

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