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Otto-Reutter-Couplets ins 21. Jahrhundert transformiert

Otto-Reutter-Couplets ins 21. Jahrhundert transformiert

Wilfried Pucher (r.) sang Cuplets von Otto Reutter - begleitet wurde er von Helmut Colditz am Klavier.

Wilfried Pucher und Helmut Colditz begeistern auf der Studiobühne der Vogtlandhalle Greiz
GREIZ. 150 Lebensjahre standen am Sonntagnachmittag zu zweit auf der Studiobühne der Vogtlandhalle Greiz – anderthalb Jahrhundert reiche Bühnenerfahrung, gepaart mit Können, Frische, Temperament und einer großen Portion Humor: Wilfried Pucher und Helmut Colditz, die zum Otto-Reutter-Programm „In 50 Jahren ist alles vorbei“ einluden.
Dabei war es mehr als eine Hommage an den Vortragskünstler Otto Reutter (1870-1931), dem wohl bekanntesten Kabarettisten, Autoren und Sänger seiner Zeit, was die beiden Künstler zur Aufführung brachten. Schauspieler Wilfried Pucher, der genau wie Musiker Helmut Colditz ein „Heimspiel“ hatte, zeigte auf, wie brisant die Themen der zwischen 1900 und 1930 entstandenen Couplets noch immer sind. Nach dem titelgebenden Lied „In 50 Jahren ist alles vorbei“, folgten Klassiker wie „Der Blusenkauf“, „Gräme dich nicht“ oder „Nehm’n Se ’n Alten“ und „Der gewissenhafte Maurer“. Das Publikum, das sich in vielen Passagen als textsicher erwies, ging begeistert mit und ließ sich von den zeitlosen Ohrwürmern auf eine Zeitreise mitnehmen, die erstaunlicherweise immer wieder in die Gegenwart mündete. Noch liebenswerter als der gesamte Vortrag, für dessen Bewältigen der Textgewalt Wilfried Pucher größten Respekt verdient, waren die kleinen Versprecher, die der Mime mit Heiterkeit und Charme schnell wegwischte und lediglich einen kurzen Blick ins Textbuch warf. Mit „Ich habe solche Angst vor meiner Frau“ oder „Herr Neureich“ nahm Reutter damals und Pucher im Heute menschliche Schwächen auf’s Korn. Oft zeigten die Lacher im Publikum, dass man sich selbst ertappt fühlte – etwa beim Titel „Mit der Uhr in der Hand“. Das Couplet „Karussell“ zeigte in einer Strophe eine erschreckende Aktualität auf: „Erst gibt’s Friedenskonferenzen, dann gibt’s irgendwo ’nen Krieg –dann heilt man die Differenzen – dann gibt’s wieder Kampf und Sieg. Dann soll ew’ger Friede glänzen, dann gährt’s in Marokko (gegen andere Länder austauschbar, d.V.) schnell – dann komm’n wieder Konferenzen – Karussell, Karussell.“ Auch bei der „Lösung der Finanzreform“ hatte Otto Reutter schon vor fast einhundert Jahren den Finger in der Wunde. „Bevor de sterbst“ – ein Couplet, das in Heiterkeit auf den Abschied vom Leben einstimmt, wenngleich mit einem Tropfen bitteren Beigeschmacks versehen, wurde von Wilfried Pucher in Größe und doch augenzwinkernd vorgetragen. Als kongenialer musikalischer Partner erwies sich an diesem Abend einmal mehr Helmut Colditz, der Puchers Vortrag mit virtuosem Spiel trug und kleine gesangliche Unebenheiten gekonnt ausglich. Mit herzlichem Beifall bedankten sich die Gäste, die vom Duo Pucher /Colditz mit dem Lied „Optimiste“ als Zugabe bedacht wurden.

Antje-Gesine Marsch @28.12.2015

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