Landrätin Martina Schweinsburg (CDU)Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) Foto: Landratsamt Greiz

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Ramelow,

mit einigem Befremden habe ich Ihre Aussagen in der Sendung Bericht aus Berlin vom 08.03.2015, 18.30 Uhr, bei der ARD, gegenüber dem Moderator, Herrn Ulrich Deppendorf, zur Kenntnis nehmen müssen. In dem mit Ihnen geführten Interview zum Thema Asylpolitik haben Sie gegenüber Herrn Deppendorf folgende Äußerung getätigt:
„ … nicht die Landräte. Es sind zwei, die sich zu Wort gemeldet haben, eine davon hat selber das Internat vorher verkauft, das wir jetzt anbieten wollen. Das hätte auch dem Landkreis selber zur Verfügung gestanden…“

Weiterhin haben Sie sich in der Sendung „Fakt ist!“ aus Erfurt vom 09.03.2015, 22.05 Uhr, beim MDR eine weitere Äußerung in ähnlicher Form gegenüber dem Moderator, Herrn Menzel, geäußert:
„… das Landkreise Sorgen haben, dann sollen sie das benennen, aber was nicht geht, ist in Medien Aktionen zu starten. Wenn ein Kreis sagt, er kann keine Flüchtlinge mehr aufnehmen und der gleiche Kreis hat vorher sein Internat verkauft und den Kaufpreis in den Kreishaushalt investiert. Und wir kriegen jetzt als Land dieses Internat angeboten, dann wird es schwierig, wenn man das zu einer Streitfrage macht. Und dass in Liebschwitz Sorgen bestehen, das kann ich gut verstehen, deswegen …“
Zwar haben Sie sowohl in dem Interview mit Herrn Deppendorf in der Sendung Bericht aus Berlin als auch in dem Gespräch in der Sendung „Fakt ist!“ gegenüber dem Moderator Menzel weder den Landkreis Greiz noch mich als Landrätin dieses Landkreises persönlich benannt. Dennoch war im Zusammenhang mit der medialen Berichterstattung der Tage davor klar zu identifizieren, auf wen Sie bei Ihren Äußerungen abstellen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
mit aller Entschiedenheit verwahre ich mich gegen solche Äußerungen, da sie die immensen Bemühungen des Landkreises Greiz bei der Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen öffentlich diskreditieren und ihm zudem massiv Versäumnisse vorwerfen.
Es ist schlichtweg falsch, wenn der Ministerpräsident des Freistaates Thüringen behauptet, dass die Berufsschule mit Internat in Gera-Liebschwitz, die der Freistaat nun als Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge anmieten will, dem Landkreis Greiz selbst für die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen zur Verfügung gestanden hätte, wenn er sie nicht vorher geschlossen und verkauft hätte. Eine solche Behauptung bei ARD und MDR vorgetragen diskreditiert den Landkreis Greiz nicht nur in Thüringen sondern bundesweit.
Ihre Vorstellungen hinsichtlich der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, die ich als Landrätin des Landkreises Greiz habe, um Asylbewerber und Flüchtlinge unterzubringen, ist für mich nicht mehr nachvollziehbar.
Seit wann, so frage ich, kann eine Gebietskörperschaft auf dem Territorium einer anderen Gebäude für die Unterbringung von Flüchtlingen nutzen! Auf welcher gesetzlichen Grundlage soll dies erfolgen?

Muss der Landkreis Greiz diese — Ihre – Einlassung, Herr Ministerpräsident, als Aufforderung zum Verstoß gegen geltendes Recht werten? Denn selbst wenn dem Landkreis Greiz die Immobilie heute noch gehören würde, dürfte er sie nicht als Unterkunft für Flüchtlinge betreiben. Als Gebietskörperschaft hat er seine Aufgaben auf seinem Territorium zu erfüllen und kann dafür nicht andere Kommunen in Anspruch nehmen. Das würde die Grundsätze der kommunalen Selbstverwaltung konterkarieren und stünde im Widerspruch zu Bundesrecht und zur Thüringer Kommunalordnung!
Nur zur Erinnerung: Am 2. März 2010 fasste der Kreistag Greiz mehrheitlich den Beschluss zur Aufhebung der staatlichen berufsbildenden Schule mit Internat in Gera-Liebschwitz zum 31.07.2010. Im Jahr 2011 erfolgte der Verkauf der Immobilie auf der Grundlage eines Verkehrswertgutachtens für knapp 29000 Euro; Anfang 2012 die Obergabe an den neuen Eigentümer.
Nur ganz am Rande sei erwähnt, dass zu diesem Zeitpunkt weder der von Tunesien ausgehende Arabische Frühling abzusehen war noch der ab 2013 verstärkt einsetzende Flüchtlingsstrom aus dem arabischen Raum.
Zudem verwahre ich mich gegen die Behauptung des Ministerpräsidenten im MDR, die Landrätin des Landkreises Greiz habe in den Medien Aktionen losgetreten. Die Information, dass der Landkreis Greiz in einem Brief an den Migrationsminister und das zuständige Referat im Landesverwaltungsamt um einen zeitlich begrenzten Aufnahmestopp gebeten hat, hat nicht der Landkreis Greiz an die Medien weitergegeben und er hat auch keinerlei Aktionen gestartet.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
Diskreditierung scheint mir der falsche Weg der politischen Auseinandersetzung. Ich fordere Sie daher zur Unterlassung solcher Behauptungen auf. Diese Kampagne wird dem Amt des Ministerpräsidenten, der doch Ministerpräsident aller Thüringer sein sollte und sein will, nicht gerecht und ist kein guter Politikstil. Insofern erwarte ich von Ihnen eine
öffentliche Richtigstellung.
Zum wiederholten Male sehe ich mich als Landrätin des Landkreises Greiz aufgefordert, Sachlichkeit und Fairness anzumahnen. Nicht zuletzt den Mitarbeitern in den Verwaltungen und den Ehrenamtlichen gegenüber, die vor Ort mit hohem Einsatz für eine menschenwürdige Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge und Asylbewerber eintreten. All diese Menschen haben auch Ihren Respekt verdient!
Der Freistaat Thüringen erwartet nach den uns vorliegenden Zahlen bis zu 10800 Asylsuchende im Jahr 2015, die den gesetzlichen Vorgaben entsprechend unterzubringen und zu betreuen sind. Diese Herausforderung können wir nur partnerschaftlich und pragmatisch meistern, Polemik, Unterstellungen und Sonntagsreden bringen uns nicht weiter. Deshalb fordere ich mit Nachdruck und zum wiederholten Male eine koordinierte mit den aufnehmenden Landkreisen und kreisfreien Städten abgestimmte Asylpolitik im Freistaat. Als Landrätin des Landkreises Greiz fordere ich Sachlichkeit, eine faire Zusammenarbeit auf Augenhöhe und respektvollen Umgang.

Martina Schweinsburg Landrätin Landkreis Greiz @20.03.2015