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Offener Brief der Landrätin an den Landesverband “Energiewende mit Vernunft”

Landrätin Martina Schweinsburg (CDU)

Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) Foto: Landratsamt Greiz

Landrätin Martin Schweinsburg (CDU) hat sich an den Vorstand des Thüringer Landesverbandes „Energiewende mit Vernunft“ gewandt in Reaktion auf dessen Brief an alle 17 neu bzw. wieder gewählten Landräte. Der Brief hat folgenden Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Heßland,
für Ihr Schreiben vom 30.06.2018, mit dem Sie mir zu meiner Wiederwahl als Landrätin gratulierten und zugleich eine Reihe von Fragen zur Energiewende und zum Ausbau erneuerbarer Energien angesprochen haben, bedanke ich mich.
Selbstverständlich ist es richtig, auf allen staatlichen und kommunalen Ebenen neue und bestehende politische Zielsetzungen, deren naturwissenschaftliche Grundlagen und praktische Umsetzungen regelmäßig kritisch hinterfragen. Dies gilt auch für die aktuelle Energiepolitik und deren klimapolitische Wirksamkeit.
Der gegenwärtige Umbau der Energieversorgung mit dem Fokus auf erneuerbare Energien und der Ausbau der Stromübertragungsnetze erfolgt in einem engen Korsett aus bundes- und landesrechtlichen Vorgaben. Den Landkreisen kommen dabei jedoch keine rechtlichen Handlungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten zu. Ich halte es daher für zielführender, Ihre Kritik an der aktuellen Energiepolitik und insbesondere Windenergie an den richtigen Stellen vorzubringen. Mich sowie meine Kolleginnen oder Kollegen dafür politisch in Verantwortung bringen zu wollen, ist deplatziert.
Zwar nehmen die Landkreise in Thüringen auch vielfältige Funktionen und Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge wie Sozialhilfe, Schulträgerschaft, ÖPNV u. a. wahr. Der in Ihrem Schreiben erfolgte Verweis auf die in § 2 ThürKO aufgeführte Energieversorgung geht jedoch mit Blick auf die Landkreise an der Sache vorbei. § 2 ThürKO beschreibt ausschließlich gemeindliche Zuständigkeiten; zu denen auch die Energieversorgung gehört. Kreisliche Aufgaben und Zuständigkeiten ergeben sich hingegen aus § 87 Abs. 1 und 2 ThürKO, der die Thematik der Energieversorgung gerade nicht aufgreift.
Da den thüringischen Landkreisen nach dem geltenden Landesrecht auch keine Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion in Bezug auf Aufgaben, die von den kreisangehörigen Gemeinden wahrgenommen werden, zukommt, können die Landkreise solche Gemeindeaufgaben (§ 2 ThürKO) nicht an sich ziehen oder für die Gemeinden wahrnehmen. Die Landkreise haben daher im Bereich der Energieversorgung keine originären Kompetenzen, die ihnen eine eigenständige, selbstbestimmte und eigenverantwortliche Gestaltung dieses Politikfeldes ermöglichen.
Unabhängig davon erfolgt eine kreisliche Befassung mit der Thematik Windkraft zwar im Rahmen der den Regionalen Planungsgemeinschaften zugewiesenen Regionalplanung, bei der auch Themen rund um erneuerbare Energien und Windkraft aufgegriffen und ein Ausgleich der betroffenen Interessen vor Ort angestrebt werden. Die Regionalen Planungsgemeinschaften, in denen die Landkreise vertreten sind, stellen aber nach dem Thüringer Landesplanungsgesetz bei der Wahrnehmung ihrer landesplanerischen Aufgaben einen Teil der staatlichen (nicht kommunalen) Landesplanung dar (§ 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ThürLPlG), so dass sie ebenfalls in ein enges Korsett aus Bundes- und Landesrecht eingebunden sind. In dieser Hinsicht wäre der Wegfall der Privilegierung der Windkraft bei Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB der richtige Ansatz, um den gemeindlichen Planungs- und Gestaltungsmöglichkeiten für einen sachgerechten Interessenausgleich vor Ort besser Rechnung tragen zu können.
An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass die Landrätinnen und Landräte aus Thüringen bereits in einer Resolution vom 10.06.2015 des Thüringischen Landkreistages die Landesregierung aufgefordert hatten, „den Wildwuchs beim Ausbau erneuerbarer Energien zu verhindern“. Leider hat die Landesregierung ebenso wie die Regierung tragenden Fraktionen im Thüringer Landtag unseren Vorschlag für ein Moratorium zur vorläufigen Aussetzung eines nicht durch die Regionalplanung koordinierten Ausbaus der Windenergie, das aus unserer Sicht einem „Wildwuchs“ beim Windkraftausbau in Folge der damaligen Aufhebung einer Reihe von Regionalplänen mit ihren Vorgaben zu Vorranggebieten für den Ausbau der Windenergie hätte vorbeugen können, seinerzeit nicht aufgegriffen bzw. mit Mehrheitsbeschluss im Landtag abgelehnt.
Mit Blick auf die von Ihnen aufgeworfenen Fragen der zukünftigen Gestaltung des Energieversorgungssystems fehlt den Landkreisen auf Grund dieser Kompetenzverteilung in der Bundesrepublik Deutschland und im Freistaat Thüringen die Möglichkeit, unmittelbar auf Weichenstellungen im Bereich der Energieversorgung Einfluss zu nehmen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass ich als Landrätin des Landkreises Greiz die Entwicklungen bei der Energieversorgung im Interesse unserer Bürger genau im Auge behalten werde.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Martina Schweinsburg

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